„Employer Branding macht nur fünf Prozent der Miete aus“

Längst ist bekannt: Gender Inequality führt bei Organisationen zu ökonomischen Nachteilen. Die Expertin und Leiterin des Gender Equality Labs von Neuwaldegg, Barbara Buzanich-Pöltl, spricht im Interview darüber, was geschieht, wenn in Organisationen hohe Ungleichheit herrscht.

WEconomy: Alle betonen die positiven Effekte von Gender Equality. Sprechen wir darüber, wie es sich auf Unternehmen auswirkt, wenn keine Gender Equality herrscht. Was sind negative Effekte von Ungleichheit innerhalb einer Organisation?

Barbara Buzanich-Pöltl: Dass sich Frauen zum Beispiel nach einer Karenz zurückziehen, weil sie ihren Platz nicht finden. Wenn keine Organisationskultur herrscht, die Frauen genauso inkludiert wie andere, dann verzichtet eine Organisation auf viel Know-How und Potenzial und hat geringere Chancen, qualifizierte Mitarbeitende zu finden. 

WEconomy: Was sind Hinweise darauf, dass in Unternehmen eine hohe Gender-Ungleichheit herrscht?

Barbara Buzanich-Pöltl: Ganz plakativ ist es, wenn es in einem Unternehmen mehr männliche Führungskräfte gibt als weibliche, obwohl dort mehr weibliche Angestellte arbeiten als männliche. Auch der Gender Pay Gap und die Rate der Beförderungen – also alles, das messbar ist – geben Aufschluss über Gender Equality in einem Unternehmen. Im Alltag kann man Hinweise in Meetings finden: wer nimmt die meiste Redezeit in Anspruch? Wer präsentiert wichtige Projekte? Und natürlich, wenn Sexismus geduldet wird. Hier sind Organisationen in der Verantwortung, einen Rahmen zu schaffen, in dem solche Themen ansprechbar sind.

WEconomy: Was sind die größten Fehler, die Unternehmen in Bezug auf Gender Equality machen?

Barbara Buzanich-Pöltl: Ich finde, der größte Fehler ist es, so zu tun, als ob es im eigenen Unternehmen kein Thema wäre. Besonders in Organisationen, die es schon lange gibt, die eine lange Geschichte haben, sind in der Kultur ganz automatisch patriarchale Strukturen vorhanden. Der zweite Fehler ist, sich der unangenehmen Arbeit entziehen zu wollen und nur in der sozialen Erwünschtheit zu bleiben. Dabei muss keine 180-Grad-Wendung sein, sondern eher ein konstruktives „Voranrobben“. Und das dritte: eine Fortbildung einzuführen, um Frauen zu stärken. Diese Maßnahme greift viel zu kurz und ist eine reine Alibi-Geschichte.

WEconomy: Drehen wir jetzt den Spieß um: was verändert sich im Unternehmen, wenn Engagement für Gender Equality gegeben ist?

Barbara Buzanich-Pöltl: Von den Unternehmen, die am Gender Equality Lab von Neuwaldegg teilgenommen haben, höre ich, dass sich die Sensibilisierung erhöht hat. Sobald es ein Team gibt, das sich damit auseinandersetzt, ist es kein Tabu-Thema mehr. Es ist daher notwendig, Stellen zu schaffen, bei denen solche Themen eingemeldet werden können. Sobald es Strukturen in Meetings gibt, merkt man auch hier schnell einen Unterschied. In den Gehaltsverhandlungen und im Recruiting dauert es meistens ein wenig länger, bis Veränderung eintritt. Employer Branding geht da hingegen schneller und ist auch legitim, das sind allerdings nur fünf Prozent der Miete. 

WEconomy: Wie ist die Idee zum Gender Equality Lab entstanden?

Barbara Buzanich-Pöltl: Ich habe die Unterscheidungen zwischen Männern und Frauen lange Zeit nicht wahrgenommen, eines Tages hat es bei mir während einer Ausbildung aber „Klick“ gemacht. Ich wurde ständig darauf angesprochen, dass ich Beraterin und Mutter zugleich bin – meine Kinder waren damals zehn und zwölf Jahre alt – während in dieser Runde fünf Jungväter saßen, die dazu nicht befragt wurden. Das ging sich für mich nicht aus. Zur gleichen Zeit habe ich das Buch „What Works“ von Iris Bohnet gelesen, das mir sehr gut gefallen hat, aber keine Antworten darauf geliefert hat, wie Gleichstellung in Organisationen revolutioniert werden kann. Mir wurde klar, dass die systemische Arbeitsweise perfekt dazu passt und habe mir von der Forscherin Siri Chilazi Impulse für das Gender Equality Lab geholt. Es ging mir nicht darum, mich als Expertin zu profilieren, sondern das Wissen schnellstmöglich weiterzugeben.

WEconomy: An wen richtet sich das Programm? Und was lernen Teilnehmer:innen im Gender Equality Lab?

Barbara Buzanich-Pöltl: Es richtet sich an Personen, die Gender Equality strukturell etablieren möchten. Das können HR-Verantwortliche, Führungskräfte, aber auch Organisationsentwickler:innen oder Assistent:innen der Geschäftsführung oder auch die Geschäftsführung selbst sein. Es braucht auf jeden Fall internes Know-How, externe Berater:innen wie ich können nur einen Anstoß geben. Teilnehmer:innen lernen, wie sie das Thema in ihrem Unternehmen etablieren, wo sie ansetzen können, welche Interventionen notwendig sind, wen sie ins Boot holen sollten, welche Netzwerke sie bilden sollten und vieles weitere. Jede Organisation ist anders und hat eine andere Ausgangslage, das Gender Equality Lab ist deshalb auch sehr individuell.

WEconomy: Welche Skills erlernen die Teilnehmer:innen konkret?

Barbara Buzanich-Pöltl: Sie erlernen Change-Werkzeuge und Interventionstechniken. Ihnen wird beigebracht, wie sie in der systemischen Schleife arbeiten und Analysen durchführen. Außerdem erlangen die Teilnehmer:innen breites Gender Equality Know-How und kommen in ein Netzwerk des gegenseitigen Unterstützens.

Das nächste Gender Equality Lab startet im Jänner 2023. Mehr Informationen hier: https://www.neuwaldegg.at/weiterbildung/gender-equality-lab/

Foto: Foto von Hagen

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