Globale Talente für lokalen Erfolg: Integration als Schlüssel zur Fachkräftesicherung

Die wirtschaftliche Teilhabe von Menschen unterschiedlicher Herkunft ist nicht nur bedeutsam für ihre Integration in die österreichische Gesellschaft – sie ist auch eine zentrale Maßnahme gegen den Fachkräftemangel.

Text: Lynn Neubert, Managerin Human Rights, Labour & Gender Equality, UN Global Compact Network Austria

Viele Österreichische Unternehmen stehen vor der Herausforderung, nicht alle ihre verfügbaren Arbeitsplätze besetzen zu können. Laut dem Arbeitskräfteradar 2024 der WKO gaben 82.4 Prozent der befragten Unternehmen an, dass es ihnen an Fachkräften, also Personen mit bestimmten Qualifikationen, fehlt. Besonders stark trifft dies Unternehmen mit über 250 Mitarbeiter:innen und die Branchen Tourismus und Freizeitwirtschaft, Gewerbe und Handwerk sowie Transport und Verkehr. Dieser Trend hat sich laut Statistik Austria in den vergangenen Jahren verschärft: lag die Zahl der offenen Stellen im Jahr 2014 noch bei 65.000, stieg sie bis 2023 auf 181.000. Im EU-Vergleich weist Österreich mit 4.5 Prozent die höchste Quote unbesetzter Stellen auf.

Bestehende Mitarbeiter:innen leiden durch die Leistung von Überstunden unter einer gesteigerten Arbeitsintensität, die sich negativ auf ihre psychische und physische Gesundheit auswirken kann. Und auch die wirtschaftliche Leistung der Unternehmen wird durch den Fachkräftemangel beeinträchtigt: durch die Einschränkung des Leistungsangebots und die Stornierung von Aufträgen entstehen Umsatzeinbußen, außerdem kann die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen aufgrund einer größeren Fehleranfälligkeit leiden. Auch Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz können aufgrund unzureichender Ressourcen nicht umgesetzt werden. Kurzum: der Mangel an Fachkräften bedroht nicht nur die Existenz des Betriebs, sondern erschwert auch wesentliche Schritte zu einer nachhaltigen Zukunft.

Woher kommt der Fachkräftemangel in Österreich?

Laut dem Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich aus dem Jahr 2022 strebten 26 Prozent der Beschäftigten in Österreich an, ihre Firma oder ihren Beruf aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen wechseln zu wollen – häufig resultieren diese aus den Belastungen, die mit dem Fachkräftemangel einhergehen. Auch der demografische Wandel spielt in Österreich eine Rolle: die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, erreichen das Rentenalter und verlassen den Arbeitsmarkt. Auf der anderen Seite sinkt der Anteil der jüngeren Bevölkerung, sodass nicht genügend Menschen die freiwerdenden Stellen besetzen können.

Die gute Nachricht: dem Mangel an Fachkräften steht in Österreich ein großer Pool an Arbeitskräften gegenüber – im Jahr 2022 gab es rund 330.000 Arbeitsuchende. Es gibt somit viele Personen, die als Arbeitskraft zur Verfügung stehen, auch wenn ihre Qualifikationen den Anforderungen auf dem ersten Blick nicht entsprechen. Einen großen Teil davon bilden Menschen mit Migrationsgeschichte.

Eine diverse Belegschaft bringt unterschiedliche Sichtweisen und Ideen mit, wodurch kreative und innovative Lösungen entstehen.

Migration als Chance für den Arbeitsmarkt

Österreich ist ein diverses Land: laut dem Statistischen Jahrbuch Migration & Integration hatten Anfang 2024 1.8 Millionen der hier lebenden Menschen eine ausländische Staatsbürgerschaft, was fast 20 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Jedoch weisen ausländische Staatsangehörige eine deutlich geringere Erwerbsbeteiligung als Personen mit österreichischem Pass auf. Die Hauptgründe dafür sind sprachliche Barrieren und die mangelnde Anerkennung von Qualifikationen. Dabei sollte ihr Potenzial genutzt werden – denn neben der Bekämpfung des Fachkräftemangels hat kulturelle Diversität in Unternehmen viele weitere Vorteile.

Warum Unternehmen auf Diversität setzen sollten

Unternehmen, die kulturelle Vielfalt schützen und fördern, ziehen neben migrantischen Arbeitskräften auch Bewerber:innen unterschiedlicher Generationen an, da sie als fortschrittlich und verantwortungsbewusst gelten und Werte vermitteln, die vor allem von jüngeren Personen geschätzt werden. Darüber hinaus fühlen sich Mitarbeitende in einem diversen Unternehmensumfeld mehr wertgeschätzt und akzeptiert, was zu einer Steigerung ihrer Motivation und Zufriedenheit sowie ihrer Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber beiträgt.

Eine diverse Belegschaft bringt außerdem unterschiedliche Sichtweisen und Ideen mit, wodurch kreative und innovative Lösungen entstehen, die besser durchdacht sind und in homogenen Teams häufig unentdeckt bleiben. Auch Softskills wie interkulturelle Kommunikation und Sensibilität werden für den Zugang zu globalen Märkten und der Entwicklung und Vermarktung von Produkten immer relevanter. Sprachliche Vielfalt erweitert nicht nur das Netzwerk an Geschäftspartner:innen, sondern stärkt auch die Kund:innenbindung und -zufriedenheit.

Viele Unternehmen haben die Vorteile kultureller Diversität bereits erkannt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt, um diese wirkungsvoll voranzutreiben.
Elementar ist eine inklusive Unternehmenskultur, die bereits im Recruitment beginnt: Bewerbungsgespräche können auf die Bedürfnisse internationaler Arbeitskräfte zugeschnitten werden, indem sie beispielsweise digital stattfinden und eine multikulturelle Belegschaft repräsentieren. Insbesondere bei der Suche nach Fachkräften empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Behörden, die darauf spezialisiert sind, zugewanderte Personen in den Arbeitsmarkt zu vermitteln.

Die Förderung von kultureller Diversität in Unternehmen trägt zur Fachkräftesicherung, Innovation und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit bei.

Für einen einfacheren Einstieg können Unternehmen dabei unterstützen, ausländische Qualifikationen anzuerkennen und Sprachkurse zu organisieren. Auch eine verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen einheimischen und internationalen Mitarbeiter:innen ist elementar für gelungene kulturelle Diversität, hierbei können interkulturelle Schulungen und Mentor:innenprogramme hilfreich sein. Anti-Diskriminierungsrichtlinien fördern ein faires, respektvolles Arbeitsumfeld und Employee Resource Groups können das Zugehörigkeitsgefühl und die Zufriedenheit internationaler Talente verstärken. Die Förderung von kultureller Diversität in Unternehmen trägt somit zur Fachkräftesicherung, Innovation und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit bei. Gleichzeitig fördert sie Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und den Abbau von Diskriminierung.

Globale Standards für lokale Wirkung: Die Bedeutung des UN Global Compact

Der UN Global Compact (UNGC), die weltweit größte Initiative für nachhaltiges Wirtschaften, betont die Achtung von Menschenrechten und Arbeitsnormen und fordert Unternehmen zu fairen Arbeitsbedingungen und der Förderung von Diversität am Arbeitsplatz auf, um Chancengleichheit und ein inklusives Arbeitsumfeld zu gewährleisten. Dazu bietet er Unternehmen eine Plattform, um Best Practices auszutauschen und konkrete Maßnahmen für Diversität und soziale Inklusion zu ergreifen und trägt dazu bei, dass Unternehmen sozial verantwortungsvoll und nachhaltig wirtschaften.

Das österreichische Netzwerk des UN Global Compact bietet in diesem Rahmen seinen teilnehmenden Unternehmen eine Peer Learning Group „Diversity, Equity & Inclusion“ an. Die erste Session am 11. Februar 2025 dreht sich um das Thema „Ethnische und kulturelle Vielfalt“ und ist der Auftakt einer spannenden Reihe, die den Unternehmen praxisnah wichtige Diversitätsthemen wie mentale Gesundheit und Altersdiversität nahebringt. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

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