„Der Arbeitsmarkt wird immer menschenwürdiger“

Wie viel Vielfalt wünschen sich die Österreicher:innen tatsächlich? Welche Rolle spielt dabei die junge Generation? Darüber diskutieren Traude Kogoj, Diversitätsbeauftragte der ÖBB, Selma Prodanovic, Grande Dame der europäischen Start-up-Szene, Rudolf Krickl, CEO von PwC und Ali Mahlodji, Unternehmer und Star-Motivator.

Wie viel Vielfalt wünschen sich die Österreicher:innen tatsächlich? Welche Rolle spielt dabei die junge Generation? Darüber diskutieren Traude Kogoj, Diversitätsbeauftragte der ÖBB, Selma Prodanovic, Grande Dame der europäischen Start-up-Szene, Rudolf Krickl, CEO von PwC und Ali Mahlodji, Unternehmer und Star-Motivator.

Starten wir gleich mit der neuen, brandaktuellen Studie zum Thema Diversität in Österreich: Herr Krickl, könnten Sie uns als einer der Initiatoren verraten, welche Ergebnisse Sie am stärksten überrascht haben beziehungsweise welche Sie besonders interessant fanden? 

Rudolf Krickl: Zwei Messages: Zwei Drittel der Österreicher:innen geben an, dass sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden, der sich klar gegen Rassismus positioniert. Das ist ein wichtiger Punkt – ein anderer, wenig erfreulicher ist, dass ein Drittel aller weiblichen Mitarbeiterinnen sagen, sich schon einmal unwohl oder belästigt an ihrem Arbeitsplatz gefühlt haben. Eine wahnsinnig hohe Zahl! Weiters interessant: Der kulturelle Zugang zum Thema ist innerhalb Österreichs sehr unterschiedlich. Am auffälligsten sind die Unterschiede zwischen Vorarlberg und Tirol: Vorarlberg ist stark in Richtung Schweiz, Deutschland und Oberitalien ausgerichtet. Das prägt das Denken dort. Tirol hingegen ist sehr auf das Eigene fokussiert. Die Tiroler checken erst ab, woher jemand kommt, wie die Person einzuordnen ist. Eine ähnliche Situation haben wir auch beim eher offenen Bundesland Oberösterreich und dem eher skeptischen Salzburg. Was wir noch herausgefunden haben: 40 Prozent wünschen sich mehr Förderung von Vielfalt und Inklusion vom Arbeitgeber – wobei nicht genau gesagt wurde, in welcher Form. Die Hälfte der Frauen meint, sie werde zu wenig gefördert im Unternehmen, von den Männern meint dies nur ein Drittel.

Traude Kogoj: Haben Sie das umgekehrt auch gefragt – ob Frauen es so sehen, dass Männer zu viel gefördert werden? 

Krickl: Das haben wir nicht abgefragt. Aber nur zwei Prozent der Frauen glauben, dass Frauen zu viel gefördert werden. 79,4 Prozent aller insgesamt Befragten sind der Meinung, dass Männer genau richtig gefördert werden, 20 finden, dass sie zu viel gefördert werden. Hingegen meinen nur 15 Prozent, dass die Frauen zu viel gefördert werden. Was gibt es außerdem Relevantes? 44,4 Prozent der unter 29-Jährigen finden, dass People of Color zu wenig gefördert werden. Wenn man das mit einer älteren Gruppe benchmarked, nämlich der 50- bis 59-Jährigen, dann sind es nur 15,8 Prozent. Man sieht: Bei der jüngeren Generation herrscht eine ganz andere Erwartungshaltung. 

Frau Kogoj, nachdem sich die ÖBB sehr intensiv mit Community-Building befasst: Worauf kommt es an und was ist das Ziel?

Kogoj: Ziel ist, dass man gegenseitige Ansprechpersonen hat, damit wir als Unternehmen besser werden können in unserem Service. Gleichzeitig müssen aber auch wir besser verständlich gemacht werden. Seit einem halben Jahr arbeiten wir zum Beispiel intensiv mit der Black Community zusammen mit dem Ziel der Anti-Diskriminierung. Ein Punkt dabei ist der Habitus – auf der einen Seite lautet dieser sinngemäß: Ich bin schwarz, fahre mit den Öffis und kann davon ausgehen, dass ich bei der Ticketkontrolle die erste Person bin, die kontrolliert wird. Unser Job ist nun, zu überlegen: Stimmt das oder stimmt das nicht? Gibt es diesen Unterschied oder nicht? Die andere Seite spricht über die Black Community wiederum in etwa so: Sehr präsent, dominant, ein bisschen lauter. Was wir klar machen müssen, ist, dass das natürlich nicht ist, weil People of Color böse sind oder unfreundlich rüberkommen wollen, sondern weil es einen kulturellen Unterschied gibt. Es ist erfreulich und erhellend, wenn die Zugbegleiter:innen, das erkennen und sagen: Stimmt, ich muss mich nicht bedroht fühlen, das ist eben eine andere Form der Inszenierung.

Mahlodji: Das ist auch der Grund, warum ich sage: Ich mache mir um die Zukunft überhaupt keine Sorgen. So viele Menschen, die sich Gedanken um die Zukunft machen, haben Angst. Ich denke immer: Wer sind die Erwachsenen der Zukunft, die die Entscheidungen treffen, und wie ticken die? Und jeder Mensch, der geboren wird, sieht sich die Generationen davor an und versucht sich einen Reim daraus zu machen, um es besser zu machen. Wir haben eine junge Generation – ich spreche nicht nur von den 14-Jährigen, sondern auch von den 20- bis 30-Jährigen –, die wollen zurück zu den ganzen alten Werten. Aber eben neu interpretiert: Da sind plötzlich Männer, die sagen, ich will für das Kind da sein; da sind 30 Stunden Arbeitszeit cool. Es wird plötzlich modern, so ein Vater zu sein. Wofür die Menschen früher gekämpft haben, ist jetzt ein Lifestylethema. Wenn ich solche Zahlen höre, denke ich mir: Die Jungen sind noch nicht in den Entscheidungspositionen, wo sie auch Dinge bewegen können. Aber der Arbeitsmarkt wird immer menschenwürdiger.  

Selma Prodanovic: Dieser Generationsaustausch ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wie die Generation Z tickt, was sie für ein Gefühl zur bestehenden Arbeitswelt hat, was sie verändern könnte. Wenn ich in die Start-up-Szene schaue, dann finde sich hier häufig junge Menschen, teilweise sehr jung, unter 30, die es geschafft haben, Millionäre zu werden. Es ist das vorherrschende Gefühl in dieser Szene, dass man auch mit 20 was bewegen kann. Unsere Generation ist damit aufgewachsen, dass man erst ein gewisses Alter erreichen muss, um „jemand“ zu sein. 


Das Interview in voller Länge können Sie in dem Magazin WEconomy lesen, einem Spin-Off von SHEconomy. Ab sofort im ausgewählten Fachhandel oder über unseren Abo-Shop erhältlich.

 

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