
Sie ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten des Wiener Nachtlebens – Marianne Kohn. Doch die Rolle, die die umtriebige Loos-Bar-Legende seit November innehat, dürfte auch für sie neu sein: Denn die 78-Jährige ist eine der neuen Markenbotschafterinnen der #endofsorry Kampagne von Palmers und posiert auf den neuen Plakaten des österreichischen Wäscheherstellers in sexy Dessous.
„Gerade für junge Menschen sind Identifikationsfiguren oft wichtig und prägend. Je mehr Vielfalt wir präsentieren, desto mehr Mädchen und Frauen erreichen wir mit unserer Botschaft: Es gibt nichts zu entschuldigen, du bist in deiner eigenen Individualität großartig“, sagt Rosmarie Rotter, Prokuristin und Director of Sales bei Palmers.
Authentizität gefragt
Palmers ist nicht die einzige Marke, die sich dem Trend zu mehr Vielfalt in der Werbung verschrieben hat – immer mehr österreichische und deutsche Firmen setzen auf Diversität bei Printkampagnen, Werbeplakaten und Social-Media Posts. Die Kosmetikmarke Dove etwa ist seit längerem für ihre diversen Models bekannt. Alle Bilder werden außer dem mit dem Wasserzeichen „Keine digitale Veränderung“ markiert, um zu unterstreichen, dass sie echt und nicht retuschiert sind, sagt Alissa Martens, Dove Masterbrand Lead EU & ANZ: „Mit dem enormen Anstieg von KI-generierten Inhalten im Netz haben wir unser Real-Beauty-Versprechen 2024 um einen Schwerpunkt erweitert und verpflichten uns, in unserer Kommunikation niemals KI einzusetzen – ein Versprechen, das wir auch in unserer aktuellen Kampagne ,The Code‘ thematisieren.“
Die Wiener Linien wiederum werben aktuell mit dem Slogan „Wir sind alle gleich! Vielfalt kommt gut an.“ Doch warum setzen Unternehmen auf Diversity? „Ganz einfach“, sagt Anna Maria Reich-Kellnhofer, Leiterin Unternehmenskommunikation

Wiener Linien, „auch unsere Kolleginnen und Kollegen sowie unsere Kundinnen und Kunden sind divers und vielfältig – und jede und jeder ist auf eigene Weise wichtig, damit die Öffis funktionieren.“ Doch die beste Werbung ist nicht wirksam, wenn einer der wichtigsten Faktoren fehlt: Authentizität. Deshalb sind in den Sujets, berichtet Reich-Kellnhofer, auch „echte“ Kolleginnen und Kollegen als Testimonials zu sehen. „Wir sind überzeugt davon, dass es in Zeiten wie diesen immer wichtiger wird, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und mit positiven Botschaften einen Perspektivenwechsel anzustoßen.“
Inklusion im Fokus

Auf das Thema Inklusion setzt die Raiffeisenbank International (RBI) mit dem Claim unter dem Claim „WIR macht´s möglich“, in dem unter anderem Plakatsujets sowie Werbespots mit einer gehörlosen Frau zu sehen sind. „Wir wollen dazu beitragen, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen besser zu verstehen und Bewusstsein dafür schaffen, dass wir gemeinsam Barrieren abbauen können und Berührungsängste reduzieren“, betont Petra Walter, Geschäftsführerin Zentrale Raiffeisenwerbung. Auch Protagonistin Nina ist tatsächlich gehörlos, ihre Freunde haben gemeinsam begonnen, die Gebärdensprache zu
lernen. „Auf unserer Website befinden sich“, berichtet Petra Walter, „barrierefreie Videos für gehörlose Menschen, die wir mit dem ÖGLB, dem Österreichischen Gehörlosenbund beziehungsweise mit deren Service-Center ÖGS entwickelt haben. Der ÖGLB hat uns während der Konzeptionsphase und in der Produktion der Kampagne professionell begleitet.“
Eine Werbeagentur, die zahlreiche Diversity-Kampagnen umgesetzt hat, ist Glow Communication aus Berlin. Unter anderem wurde eine Kampagne für die Berliner Polizei gestaltet, in der die ethnische Vielfalt der Berliner Polizist:innen gezeigt wird, wobei es regionale Unterschiede gibt, wie CEO Johannes Krempl berichtet: „In Berlin wirbt die Polizei mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund, in Thüringen werben wir meistens mit Menschen mit deutschen Wurzeln. Es gibt dort kaum Menschen mit Migrationshintergrund, und deshalb wäre es nicht authentisch.“ Der Trend, so der Kreative, gehe allerdings dahin, das Thema Diversität nicht mehr zu betonen. „Weder wollen wir Diversität verschweigen, noch sind wir als Unternehmen Ritter der ,Wokeness‘. Wir raten unseren Kunden, einen natürlichen Mix herzustellen, und meistens folgen sie uns.“
Diversität als Familiensache

Dabei sind es nicht immer nur große Firmen beziehungsweise öffentliche Einrichtungen, die auf Diversität beim Marketing setzen – auch traditionsreiche Familienunternehmen haben erkannt, dass diverse Sujets gut ankommen. Die seit 1903 bestehende Wiener Hutmanufaktur Mühlbauer setzt schon seit Jahren auf Models, die nicht der klassischen Werbenorm entsprechen. Klaus Mühlbauer, der das Unternehmen in der vierten Generation führt, sagt, dass Mühlbauer Schönheitsideale, wie sie heute vor allem durch Algorithmen der Sozialmedien normiert werden, ablehnt. Eine erfolgreiche Diversity-Werbung muss, ist der Unternehmer überzeugt, pointiert, frisch und mutig sein und „das Produkt und die Marke ungeachtet irgendwelcher Trends oder Schönheitsideale gut inszenieren. Es ist gut, wenn man das Diverse einer Kampagne lesen kann, aber das darf kein Selbstzweck sein – denn das würde weder dem Produkt und der Marke noch dem Thema Diversität einen Dienst erweisen.“

Einer der österreichischen Vorreiter in Sachen Diversität ist Almdudler, wirbt der Wiener Getränkehersteller doch seit seiner Gründung 1957 mit nicht alltäglichen Botschaften und kooperierte beziehungsweise kooperiert unter anderem mit dem Life Ball, der Pride Parade oder der Aids-Hilfe. Für „Sprudelfabrikant“ Thomas Klein und seinen CEO Gerhard Schilling liegen Toleranz und Offenheit in der Unternehmens-DNA: „Diverse Werbung zeichnet sich durch die bewusste Einbindung und Darstellung unterschiedlicher Menschen und Perspektiven aus. Sie geht über traditionelle, oft eindimensionale Zielgruppenansprachen hinaus und repräsentiert die Vielfalt der Gesellschaft in ihren verschiedenen Facetten.“ Auch zukünftig möchte Almdudler auf Diversität setzen, etwa in Kampagnen und Kooperationen. Das Ziel: zu zeigen, dass „echte“ Gemeinschaft durch Offenheit und gegenseitige Wertschätzung entsteht. „Ob durch die Repräsentation unterschiedlichster Menschen in Werbekampagnen, durch die Unterstützung von Projekten zur sozialen Inklusion oder durch die Zusammenarbeit mit diversen Künstler:innen und Kreativen.
Die Mutter aller Diversity Werbungen
Bereits in den 1980er- und 90er-Jahren machte die italienische Modekette Benetton von sich reden, als Fotograf Oliviero Toscani mit dem Claim „United Colors of Benetton“ und provokanten Sujets berühmt wurde: Von einer weißen Frau, die ein schwarzes Baby stillt über die einen Priester küssende Nonne bis zu einem sterbenden Aids-Patienten. Was einst als Skandal galt und sogar teils verboten wurde, gilt heute als eines der bekannten Beispiele in Sachen diverser Werbekampagnen.
Text: Sandra Wobrazek