Political Correctness – wichtiger Schritt oder Klotz am Bein?

Oder: Eine Unpopular Opinion über Political Correctness (PC) von einer Person of Color (PoC).

Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin eine Freundin von Veränderung und davon, wenn Dinge mit der Zeit gehen. Ich verstehe es auch, wenn andere Dinge mit der Zeit gehen sollten. Wie der “Mohr im Hemd” etwa. Aber eines mag ich nicht, und zwar den erhobenen Zeigefinger. 

Wenn wir uns austauschen und einander überzeugen wollen, hilft eines besser als Kampf und Getöse. Das ist Augenhöhe im Dialog. Einige kennen wahrscheinlich die Transaktionsanalyse von Eric Berne aus der Kommunikationswissenschaft oder das Phänomen der Reaktanz aus Psychologie und Soziologie. Quintessenz: Wenn ich dir sage, was du zu tun oder zu lassen hast, und ich bin nicht deine Mutter, dann ernte ich von dir entweder Zorn oder Widerstand. Beides ist destruktiv.  

Sämtliche Debatten über Gendern oder nicht Gendern, das N-Wort oder andere Begrifflichkeiten, die als rassistisch, sexistisch, homophob, ableistisch, usw. wahrgenommen werden, können – wenn sie Überhand nehmen – Reaktanz auslösen. Und das dient der Sache einfach nicht. Das geht so weit, dass die Forderung nach mehr Diversity generell als „Eliten-Problem“ oder als „Utopie von Gleichheit“ abgewertet wird. 

Mein größtes persönliches Problem damit ist nicht nur, dass die Anschlussfähigkeit derer sinkt, die es zu überzeugen gilt, sondern dass wir uns dabei auch selbst maßregeln. Denn wenn Political Correctness,  kurz PC, den Teil der Sprache und Kommunikation zensiert, der auch im Humor angesiedelt ist, dann wird aus Dialog schnell Debatte. „Was darf man denn heutzutage überhaupt noch sagen?“, lautet hier eine oft gehörte Frage. Ach, wenn die Antwort doch nur so einfach wäre. 

Satire beispielsweise ist per Definition „eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert, verspottet oder angeprangert werden. Typische Stilmittel der Satire sind die Übertreibung als Überhöhung oder die Untertreibung als bewusste Bagatellisierung bis ins Lächerliche oder Absurde.“ 

Gemäß Duden bezeichnet sie eine „Kunstgattung (Literatur, Karikatur, Film), die durch  Übertreibung, Ironie und [beißenden] Spott an Personen, Ereignissen Kritik übt, sie der Lächerlichkeit preisgibt, Zustände anprangert, mit scharfem Witz geißelt.“ Die Wortherkunft: lateinisch satira […] bedeutet eigentlich „mit verschiedenen Früchten gefüllte Schale (im übertragenen Sinne „bunte Mischung“).  Fantastisch: Satire ist Vielfalt, ergo Diversität!

Heißt: Wenn ich also einen Stereotyp oder ein Vorurteil durch seine Betonung satirisch überzeichne, kritisiere ich dieses auch gleichzeitig und halte dabei jenen den Spiegel vor, die das Vorurteil tatsächlich haben. 

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Satire gar nicht politisch korrekt sein kann, denn ansonsten bleibt der Spiegel leer, bzw. er spricht dem Publikum nicht mehr nach dem Mund. Satire sollte somit ein essenzieller Bestandteil des demokratischen Diskurses bleiben. 

Political Correctness macht Satiriker:innen zu Outlaws 

Ich bin der Meinung, Satire sollte alles dürfen und sei auszuhalten. Das ist natürlich nur meine ganz persönliche Meinung und da sind wir schon bei des Pudels Kern: Meinungsäußerung, im Gegensatz zur Satire, ist kein „straffreier“ Raum im Sinne des  Demokratieverständnisses. Das Herabwürdigen anderer Personen ist eine aktive Handlung gegen die Menschenrechte.

Bei „Diversity, Equity & Inclusion (DEI)“ und allen angrenzenden Themen und Disziplinen geht es aber um genau diese Menschenrechte, darum dass jede Person unabhängig jeglicher Merkmale und Eigenschaften die gleichen Chancen erhält oder zumindest nicht von anderen dabei gehindert wird, diese im Laufe des Lebens zu erhalten.

Wenn wir weit verbreitete Stereotypen und Vorurteile tradieren und reproduzieren, manifestieren wir Ungleichheiten. Gleichsam müssen wir genau auf diese prekären Traditionen aufmerksam machen. Das geschieht entweder durch Satire oder heutzutage auch mit Hinweisen und Geboten zur PC. 

Wenn von oben herab kommuniziert wird, sind beide Formen – egal ob Hinweis oder Gebot – problematisch. Genau das hat uns schließlich die Probleme gebracht, die wir aktuell haben. Wenn wir die Menschen nicht dort abholen, wo sie stehen, können wir sie nicht mitnehmen. Wenn wir sie vom gesellschaftspolitischen Diskurs ausschließen, grenzen sie sich ab und (er)finden ihren eigenen. 

Sprache schafft Realität, Verhalten schafft Fakten

Als Philologin weiß ich, dass Sprache Realität schafft. Als Expertin für Arbeits- und Organisationspsychologie weiß ich auch, dass Verhalten viel mehr Fakten schafft als die Sprache.  

Sprachlich werden die getrennten Diskurse zur eigenen Wahrheit (die Gender-Fraktion und die Non-Gender-Fraktion, usw.) und das darauffolgende Verhalten, die Abgrenzung und Ablehnung wird zur Self-Fullfilling-Prophecy, weil die eigene Bubble dieses Bild reproduziert.

Wer sich schon ein wenig mit systemischem Konstruktivismus befasst hat, versteht worauf ich hinaus will. Auch jene, die die Kraft der positiven Psychologie kennen: Humor ist eine der wichtigsten menschlichen Ressourcen. Wenn wir ihn der Political Correctness opfern, verlieren wir ein hohes Gut menschlicher Kulturleistung. Ja, es ist moralisch leichter zu ertragen, wenn Betroffene non-PC Witze machen, weil klar ist, dass diese sich nicht selbst herabwürdigen, sondern genau über prekäre Stereotypen lachen, die sie selbst betreffen und damit den Satire Spiegel den nicht Betroffenen vorhalten.

Problematisch wird es immer, wenn nicht die Marginalisierten sondern die Privilegierten non-PC Konzepte reproduzieren. Ja, das ist eben auch wirklich kompliziert! Wer empfindet sich denn freiwillig als privilegiert? Gerade das bringt das Fass zum Überlaufen: die Mehrheitsgesellschaft  und/oder die unfreiwillig als privilegiert deklarierten fühlen sich so  dermaßen angegriffen von den betroffenen Minderheiten und/oder Marginalisierten, dass sie zum Gegenangriff blasen. Weltweit mehren sich Trends gegen Frauengleichstellung, gegen Gleichstellung von Homosexuellen oder non-binären Menschen, usw. Das hat meiner Meinung nach einen Grund: den erhobenen Zeigefinger der “politisch Korrekten”. 

Daher braucht es so viel mehr Aufklärung über Chancengleichheit und Partizipation beziehungsweise den ganzen „Diversity“-Kanon, über die Vorteile der Vielfalt und Chancengerechtigkeit, damit Sensibilisierung entsteht und Selbstreflexion stattfinden kann. Aber eben im Dialog und auf Augenhöhe. 

Daher appelliere ich an Offenheit und an menschliche Beziehungen. Niemand, der/die eine andere Person wirklich gern hat oder schätzt, will diese abwerten, beleidigen oder lächerlich machen. Wenn wir mehr darauf achten, wie Menschen zueinander in Beziehung stehen, müssen wir weniger darauf fokussieren, wie sie sich gegenseitig ansprechen. 

Einer Freundin von mir ist Gendern besonders wichtig, in ihrer Gegenwart achte ich ganz besonders darauf. Oder ich ziehe sie als “Gender-Polizistin” durch den Kakao, je nach Situation. Eine andere Freundin von mir hat eine türkische Migrationsbiographie und ich achte ganz besonders darauf, dass ich das immer in irgendeiner humoristischen Art betone. Denn es gehört zu ihr und ihrer Persönlichkeit. Schließlich bin ich auch meistens ihre „Quotenschwarze“ vom Dienst.  

Wer Marginalisierungserfahrung hat, braucht Humor als eigene Überlebensstrategie

Mit Humor können wir Betroffenen Ungerechtigkeiten nicht nur ertragen, wir können sie damit auch entkräften. Humor entzieht der Ungerechtigkeit beziehungsweise der Ungleichheit für diesen Moment die Macht. 

Ich persönlich lasse mir daher als PoC von der PC sicher nicht meinen Humor verbieten. Und wenn sich jemand dadurch angegriffen oder verletzt fühlt, werde ich das in deren Gegenwart berücksichtigen. Daher appelliere ich daran, sich im öffentlichen Diskurs an PC zu halten, wenn die Zielgruppe nicht bekannt ist oder unüberschaubar groß. 

Wenn sich aber jemand im privaten Umfeld das eine oder andere Mal falsch ausdrückt, ohne dabei eine anwesende Person zu beleidigen oder zu kränken, dann können wir uns, aus meiner Sicht, den erhobenen Zeigefinger der PC gerne ersparen.

Die Menschen sollten selbstverständlich durch die Medien sensibilisiert dafür sein, dass Worte verletzen können und Ungleichheiten manifestieren, wenn sie in der Ansprache dieser Personengruppe verwendet werden. Das ist insbesondere beim Thema Gender und/oder ethnische Herkunft wichtig, wenn es z. B. um die Kommunikation von Berufsbildern geht.

Internationale Studien bestätigen, dass die Kenntnis von Vielfalt in den Bezeichnungen der Berufsinhaberin, wie z. B. Ärztin, Pilotin, Baumeisterin und deren Darstellung in unterschiedlichen Hautfarben und ethnischen Merkmalen, oder auch in der Benennung diverser Vornamen, dazu führt, dass bereits Kindergartenkinder eine Vorstellung dafür entwickeln, dass sie selbst einmal alles werden können.

Kinder begreifen also durch die Sprache, dass sie (fast) jeden Beruf ausüben können, weil sie sich repräsentiert fühlen. Die Firma Mattel fokussiert seit Jahren darauf, in der Marke Barbie so diverse Menschen wie möglich darzustellen, damit Kinder, vorwiegend Mädchen,  Empowerment durch Repräsentation erfahren. You can’t be what you can’t see! Die deutsche Diversity-Ikone Tijen Onaran wurde z. B. in der Role Models Kollektion aus der Kampagne Dream Gap nachgebildet.  

Es ist enorm wichtig, dass wir über Chancengleichheit sprechen

Nur Chancengleichheit kann die Partizipation aller fördern, was wiederum bedeutet, dass mehr Menschen zum Wohlstand beitragen können, was wiederum volkswirtschaftliches Wachstum für alle und weniger gesellschaftliche Verwerfungen bedeutet. Wenn mehr Menschen gewinnen, haben alle mehr davon. 

Aus diesem Grund sollten wir aus meiner Sicht niemanden verbal steinigen, der einmal ein falsches Wort verwendet, sich aber rührend und respektvoll um die benannte Personengruppe kümmert. Genauso wie wir auch keine Person verurteilen sollten, die die Grammatik unserer Landessprache noch nicht allumfänglich beherrscht, sich aber optimal  inkludiert und einen redlichen Beitrag in unserer Gesellschaft leistet. 

Ein Beispiel dafür? Jedes Mal, wenn ich einer blinden Person über die Straße helfe oder über Stiegen und wir uns danach verabschieden, sage ich “Auf Wiedersehen” – wirklich jedes einzelne Mal. Ich wette, wir alle kennen solche Fettnäpfchen.

Seien wir also nicht zu streng miteinander, konzentrieren wir uns auf das Miteinander, auf unser Verhalten zueinander und nicht auf sprachliche Verwerfungen, die uns angeblich trennen. Es fließt, meiner Meinung nach, viel zu viel negative Energie hinein, die wir für das gegenseitige, bessere Kennenlernen positiv verwenden sollten. Again: no one ever said it will be easy. But it will be so much more fun…!


Über die Autorin

 

Pamela Rath hat Philologie sowie Arbeits- & Organisationspsychologie studiert und arbeitet seit über 15 Jahren im Bereich HR Management und Recruitment, davon seit 10 Jahren in der IT-Branche. Als bekennender “New Work Enthusiast & Facilitator” begleitet sie Organisationen bei der Digitalen Transformation und setzt hier auf Diversity & Inclusion als Treiber.

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