Vorurteile können Genesung beeinträchtigen

Die Beziehung zwischen Arzt:innen und Patient:innen ist ein wichtiger Bestandteil der Hilfe und Behandlung. Sie kann jedoch durch rassistische oder geschlechterspezifische Vorurteile auf beiden Seiten gestört werden.

Eine neue Studie, die kürzlich veröffentlicht wurde und die Placebo-Reaktion als Maß für die Voreingenommenheit verwendet, zeigt, wie unbewusste Reaktionen von Patient:innen auf das Geschlecht oder die Ethnizität ihrer Ärzt:innen eine physiologische Wirkung haben und sich sogar auf ihre Gesundheit auswirken können. In der Studie wurden 187 weiße Frauen und Männer einem Allergie-Hautpricktest unterzogen. Danach trug eine Arzt:in eine inerte Hautcreme auf, teilte den Teilnehmer:innen aber mit, dass es sich um eine Antihistamin-Creme handele, die allergische Reaktionen reduzieren würde. Jede Interaktion war gleich – gleicher Behandlungsraum, ärztliches Attest und mündliche Anweisungen an Patient:innen – mit Ausnahme des Geschlechts und der Ethnizität der Ärzt:innen. Die 13 männlichen und weiblichen Ärzt:innen waren entweder asiatisch, schwarz oder weiß.

Körperliche Reaktion korreliert nicht immer mit Aussagen

Obwohl die Patient:innen in der Studie weibliche Ärzte als „warm“ und kompetenter als Männer bewerteten und schwarze und asiatische Ärzte als warm und ebenso kompetent wie weiße Ärzte eingestuft wurden, und die meisten Patient:innen hoch motiviert waren, die voreingenommene Reaktion zu kontrollieren, zeigten sie negative Reaktionen unter der Haut. Was laut Lauren Howe, außerordentliche Professorin für Management an der Universität Zürich und Hauptautorin der Studie zu folgender Schlussfolgerung führte: „Es zeigt meiner Meinung nach die Tatsache, dass Voreingenommenheit wirklich multidimensional ist und dass die Auswirkungen von Voreingenommenheit möglicherweise dauerhaft bleiben können.“

Mit Stereotypen konfrontiert

Ein Grund, warum die Forscher:innen die Studie durchführten, war die Untersuchung der Auswirkungen des demografischen Wandels bei den Leistungserbringern im Gesundheitswesen. Im Jahr 2017 lag der Anteil der Frauen an den Medizinstudent:innen in den USA bei 50,7 % und übertraf damit zum ersten Mal in der Geschichte den der Männer. Howe sagte, dass sich die Studie auf weiße, asiatische und schwarze Ärzt:innen konzentrierte, weil schwarze und asiatische Ärzt:innen mit unterschiedlichen stereotypen Assoziationen konfrontiert sind – Asiat:innen werden oft als sehr kompetent angesehen. Schwarze werden seit langem mit negativen Stereotypen konfrontiert. Die Studie wurde in der San Francisco Bay Area durchgeführt, wo asiatische Ärzt:innen fast genauso häufig vertreten sind wie weiße Ärzt:innen (jeweils etwa 30 %), während sich nur 2,5 % als schwarz identifizieren.

Es muss einiges überdacht werden

Vorurteile können in beide Richtungen wirken, sowohl bei Ärzt:innen als auch bei Patient:innen, so Charlotte Blaise, Philosophin, interdisziplinäre Gesundheitsforscherin und Mitbegründerin der Interdisziplinären Placebo-Studien. „Wir sind nicht gerade die Besten, wenn es darum geht, auf den unterbewussten Teil von uns zuzugreifen, der implizite Vorurteile hegt oder pflegt. Das spricht für das Bedürfnis nach Repräsentation und echter Vielfalt“. Während diese Studie zeigte, dass Voreingenommenheit das Ansprechen der Patient:innen auf die Therapie möglicherweise beeinträchtigen kann, kann sie auch einige Menschen in ihrer Behandlung fördern, weil die sie sich von gewissen Ärzt:innen eher repräsentiert fühlen. Die Studie könnte aufgrund ihrer Ergebnisse Teil eines wichtigen Gesprächs über die soziale Gerechtigkeit und die Bereitstellung von Pflege werden.

 

 

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