ALLYSHIP ist HIP – doch wie geht man’s an?

Allyship mit Menschen, die weniger privilegiert sind als andere, ist wichtig. Aber wie drückt man seine Solidarität am besten aus, ohne die Betroffene aufs Neue in den Schatten zu stellen? Wie werde ich ein*e gute*r Ally?

Das Wort „Ally“ kommt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie Helfer*in, Partner*in oder Verbündete*r. Heute versteht man unter Ally auch eine Person mit Privilegien, die Menschen aus unterdrückten oder diskriminierten Gruppen unterstützt und sich solidarisch zeigt. Das Ziel dabei: Die Betroffenen sollen sich gehört, verstanden und wertgeschätzt fühlen. Das gilt im Privatleben ebenso wie im Arbeitsumfeld.

Von sich selbst zu sagen, man ist ein*e Ally, ist allerdings zu wenig. Wenn dem Wort keine Taten folgen, ist das nur ein schöner Orden, den man sich umgehängt hat. Allein durch die Bezeichnung werden Unterdrückung und Diskriminierung nicht weniger. Hier sind vier Dinge, die man tun sollte, um Allyship zu einem proaktiven Prozess des Bewusstwerdens und des Handelns zu machen.

1. Eigene Privilegien erkennen

Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass sie aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe oder ihrer sexuellen Orientierung bevorzugt behandelt werden. Um ein*e gute*r Ally zu werden, muss man sich seine Privilegien zunächst einmal bewusst machen. Einerseits, indem man sich die Diskriminierungserfahrungen anderer Menschen anhört und überlegt, ob man selbst schon einmal ähnliche Erlebnisse hatte. Andererseits, indem man die eigene Stellung in der Gesellschaft beleuchtet: „Mit welchen Machtpositionen bin ich ausgestattet – und wann erlebe ich Gefühle von Ohnmacht?

In welchen Situationen gehöre ich zur Mehrheits- oder zur Minderheitsgruppe?“ Solche Fragen – und ehrliche Antworten darauf – können dabei helfen, sich selbsteinzuordnen. Wobei man unter Umständen feststellt, dass man beispielsweise als Frau von Unterdrückung betroffen und gleichzeitig als weiße Person privilegiert sein kann.

Ebenfalls nützlich: Das „Diversity-Rad“ von Lee Gardenschwartz und Anita Rowe gibt Aufschluss über viele mögliche Dimensionen, in denen Menschen sich gleichen oder unterscheiden können – und auch darüber, bei welchen Themen Menschen diskriminiert werden.

2. Alltagsdiskriminierung wahrnehmen

Nicht immer werden Menschen aus marginalisierten Gruppen offen beleidigt oder angegriffen. Häufig kommt es zu einer unterschwelligen Anders-Behandlung oder Herabwürdigung. Man spricht dann von Alltagsdiskriminierung. Beispiele dafür gibt es viele: Vom Kollegen mit Migrationshintergrund, der bei einem Diebstahl im Büro automatisch als erster verdächtigt wird, über die Transperson, die trotz Qualifikation den Job nicht bekommt, bis hin zur Rollstuhlfahrerin, der man den Fensterplatz in der Kantine verwehrt.

Diskriminierende Einstellungen erlernen Menschen durch ihre Erziehung, durch mediale Vorbilder oder andere Einflüsse. So ist vielen nicht bewusst, dass ihre Aussagen diskriminieren, ausgrenzen und verletzen. Die Aufgabe eines*einer Ally besteht darin, in solchen Situationen aktiv Solidarität und Empathie zu zeigen – egal, ob auf einer Party, in Supermarkt oder im Büro.

3. Zuhören und Raum geben

Allyship darf aber auch nicht übers Ziel hinausschießen oder zur „Great Ally-Show“ werden. Es ist es wichtig, immer darauf zu achten, was die betroffene Person wirklich braucht. Das erfordert häufig, dass man zunächst einmal gut zuhört. Dadurch, dass man selbst nicht betroffen ist, kann man sich in die Situation möglicherweise schlecht hineindenken.

Wenn jemand eine Diskriminierungserfahrung schildert, sollte man trotzdem nicht gleich Fragen stellen, mit denen man die Glaubwürdigkeit der Person in Zweifel stellt. Eine solche Geschichte zu erzählen, erfordert viel Kraft und Mut – gleichzeitig macht es die Betroffenen verletzbar und angreifbar. Sie brauchen einen sicheren Raum, um ihre Erfahrung zu teilen. Und sie dürfen nicht in den Hintergrund gedrängt werden: Die Rolle der Ally sollte eine unterstützende sein, ohne den Betroffenen die Bühne zu nehmen. Ein*e Ally sollte auch Geschichten anderer nicht in deren Namen erzählen – es sei denn, sie werden explizit darum gebeten.

4. Eine Allyship-Kultur etablieren

Um Menschen, die diskriminiert werden, zu unterstützen, muss man sie nicht persönlich kennen. Man kann auch ihre Bücher lesen, sich ihre Filme ansehen oder ihre Produkte kaufen. Außerdem kann ein*e Ally die Vereine und Organisationen dieser Personen fördern, ihnen Raum in den Medien geben und an ihren Demos teilnehmen – ohne sich in die Retter*innen-Rolle zu begeben. Ein*e Ally kann sich gegen beleidigende Klischees und Witze über marginalisierte Gruppen aussprechen und darauf achten, dass Menschen nicht mit den falschen Pronomen angesprochen werden.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich zum Thema Diskriminierung selbst zu bilden und zu recherchieren – und erst dann Fragen an Betroffene zu stellen, anstatt zu erwarten, dass einem Personen mit Diskriminierungserfahrung dieProblematik von Grund auf erklären.Sobald man selbst gut informiert ist und reflektiert agiert, kann man sein gesammeltesWissen an andere Privilegierteweitergeben – um ihnen zu helfen, ebenfallsein*e gute*r Ally zu werden.

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