Wie freundlich würde die Welt aussehen, wenn nur das Böse geschähe, das die Bösen tun“, hat der bayerische Schriftsteller Hans Krailsheimer einmal geschrieben. Tatsächlich sind auch gutmeinende Menschen keinesfalls davor gefeit, andere zu verletzen. Im Gegenteil: Oft ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen das passiert, sogar erhöht. Nehmen wir zum Beispiel eine Bereichsleiterin, die Wert auf Diversität in ihrem Team legt. Sie wird häufiger in die Verlegenheit kommen, in eines der zahlreichen Fettnäpfchen zu steigen, mit denen ein diverses Umfeld gepflastert ist, als ein männlicher Arbeitgeber, der aus schließlich weiße Männer beschäftigt.
Verletzende Gewohnheiten
Vor allem im Umgang mit marginalisierten Gruppen kommen versehentliche Diskriminierungen im Berufsalltag immer wieder vor. Etwa, wenn man die nicht-weiße Praktikantin fragt, woher sie kommt. Und wenn sie antwortet, dass sie aus Deutschland ist, nochmal nachhakt und wissen will, woher sie ursprünglich kommt. Obwohl man eigentlich nur freundliches Interesse zeigen will, legt man der jungen Frau damit nahe, dass sie als Nichtweiße keine „richtige“ Deutsche sein kann. Oder, wenn man der Kollegin, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt und seit der Geburt ihres Babys im Dauerstress ist, Mut machen möchte und sagt: „Es dauert, bis sich der Alltag mit Kind eingespielt hat. Das wird bei euch nicht anders sein als in einer normalen Familie“.
Das Problem mit der gutgemeinten Diskriminierung ist, dass privilegierte Menschen sie oft gar nicht wahrnehmen. Für eine reich verheiratete Unternehmertochter, die einer alleinerziehenden Halbtagssekretärin aus ärmlichen Verhältnissen geduldig erklärt, wie sie besser mit ihrem Geld haushalten könnte, ist vermutlich völlig rätselhaft, warum sie für ihren guten Rat eine patzige Antwort kassiert. Schließlich wollte sie doch nur helfen. Dass sie a) gerade einer anderen Person das Gefühl gibt, sie wäre völlig lebensunfähig, b) selbst überhaupt keine Ahnung hat, wie schwierig es ist, mit einem kleinen Einkommen über die Runden zu kommen und c) so tut, als wäre es völlig okay, dass manche Menschen sich nur jedes zweite Jahr einen Urlaub leisten können, während man selbst alle drei Monate eine teure Reise macht, ist ihr vielleicht gar nicht bewusst.
Ähnliches gilt für empathiewillige Weiße, die Schwarzen erzählen, dass sie selber wegen ihrer Sommersprossen als Kind in der Schule gehänselt wurden – und deshalb genau wissen, wie es sich anfühlt, wenn man wegen seiner Hautfarbe diskriminiert wird. Oder für chronisch Gesunde, die chronisch Kranke darüber aufklären wollen, dass die meisten Erkrankungen psychische Ursachen haben. Oder für Menschen ohne Behinderung die Menschen mit Behinderung mit Mitleid überschütten – anstatt sie einfach wie vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu behandeln.
Erst denken, dann sprechen
Diskriminierung geschieht oft aus Gedankenlosigkeit, Unwissenheit oder Selbstüberschätzung. Wer sie vermeiden will, muss daher drei Dinge tun: sich Gedanken machen, Wissen sammeln und vom hohen Ross heruntersteigen – und zwar genau in umgekehrter Reihenfolge. Erst, wenn man sich eingesteht, dass man als privilegierte Person nicht automatisch weiß, was für benachteiligte Menschen das Beste ist, wird man bereit sein, sich weiterzubilden. Und erst, wenn man sich mit dem Thema befasst hat und eine Ahnung davon bekommt, welche Gefühle man bei anderen auslöst, kann man sich konstruktiv überlegen, was man besser machen kann.
Die Wortwahl in Gesprächen spielt dabei eine große Rolle. Gerade Menschen, die schon häufig verbalen Angriffen von weniger wohlmeinenden Leuten ausgesetzt waren, die sie offen attackiert oder sich über sie lustig gemacht haben, sind besonders empfindlich auf verletzende Formulierungen. Das ist so, als würde man in einer offenen Wunde herumbohren. Wie man herausfindet, welche Formulierungen das sind? Zum Beispiel, indem man sich auf aau.at, der Website der Uni Klagenfurt, die spannende Broschüre „Geschlechter- und diversitätssensibles Sprachhandeln – wie wir über uns und andere sprechen“ herunter lädt und sich Zeit nimmt, sie genau zu lesen. Dabei erfährt man unter anderem, warum man nicht „behinderte Menschen“ sagen soll, sondern „Menschen mit Behinderung“ – weil nämlich die oder der Betroffene nicht in seinem Mensch sein behindert ist. Oder dass es nicht „Migranten“, sondern „Menschen mit Migrationserfahrung“ heißt. Oder dass man nicht einfach aufgrund des Aussehens entscheiden sollte, welche Pronomen man für eine Person verwendet, sondern besser jene wählt, die dieser Mensch sich wünscht – das können neben „er“ oder „sie“ auch neutrale Pronomen wie „xier“ oder „they/dey“ sein.
Begrüßenswert: Diverse Teams bereichern das Unternehmen. Damit sich alle willkommen fühlen, gilt es allerdings, den eigenen Sprachgebrauch zu hinterfragen.
Wer sich noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchte, kann auch ein Workshop besuchen, etwa bei fairlanguage.com oder bei abzaustria.at. Zusätzlich hinaus hilft es, in Gesprächen aufmerksamer zu sein und auf die Reaktionen anderer Menschen zu achten – an denen lässt sich nämlich oft ablesen, ob beim eigenen Verhalten noch Verbesserungsbedarf besteht. Sollte das der Fall sein, gebietet es die Höflichkeit, sich zu entschuldigen. Aber bitte nicht damit, dass man es „doch nur gut gemeint hat“. Denn das verschlimmert die Situation in den meisten Fällen nur. Eine weit akzeptablere Rechtfertigung wäre, dass man gerade erst dabei ist, sich eine diskriminierungsfreie Sprache anzugewöhnen und noch Fehler macht. Solange man aus ihnen lernt, stehen die Chancen gut, dass die (Arbeits-)Welt in Zukunft für alle Menschen ein bisschen freundlicher aussehen könnte als bisher.
Die Entwaffnung der Wörter
Woher weiß ich, ob ein Wort rassistisch oder diskriminierend ist?
1. Entstehungsgeschichte des Begriffs recherchieren, bewusstmachen. Was/wer wurde damit bezeichnet, wer hat ihn benutzt und mit welchen Wertungen?
2. In welchen Wortkombinationen, Phrasen, Redewendungen, Situationen kommt dieser Begriff vor?
3. Welche spontanen Assoziationen habe ich mit dem Begriff / den Wörtern / Sätzen?
4. Kann ich das Wort z. B. auf europäische Kontexte übertragen? Wie würde ich den Begriff auf mich bezogen empfinden?
5. Ist der Begriff symmetrisch (auf Augenhöhe) oder asymmetrisch (be-/abwertend) verwendet? Hat er ein Gegenstück oder wird er einseitig verwendet? Würde man z. B. Deutschland als Kartoffelrepublik bezeichnen?
Quelle: „Geschlechter- und diversitätssensibles Sprachhandeln – Wie wir über uns und andere sprechen“ (Universitätszentrum für Frauen*- und Geschlechterstudien der Universität Klagenfurt), von uneinheitlich, Maria Mucke, Anna Adlwarth, Mareen Hauke.