Die berüchtigte Quote – was bedeutet das eigentlich?
Die Quote, auch bekannt unter den Namen Frauenquote, Genderquote, Geschlechterquote, ist ein heißdiskutiertes Thema. Sie soll dazu beitragen, dass Frauen und weiblich gelesene Personen, welche die Hälfte der Bevölkerung darstellen, auch in Führungspositionen und Vorständen proportional repräsentiert werden. In anderen Worten ist sie die Quote ein „Instrument zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen gegenüber Männern“ (Definition: Gabler Wirtschaftslexikon). Diese Quotenregelung kommt bei der Besetzung verschiedener Gremien oder Stellen zur Geltung. In welchen Bereichen sie wie verwendet wird, hängt stark von der Gesetzgebung des jeweiligen Landes ab.
In Österreich beispielsweise hat sich die Bundesregierung 2020 dazu verpflichtet, einen Frauenanteil von 40 Prozent in den Aufsichtsräten von Unternehmen, an denen der Staat mit mindestens 50 Prozent beteiligt ist, einzuführen. In der Privatwirtschaft gilt für börsennotierte Unternehmen sowie Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten: Bei Neubestellungen von Aufsichtsräten ist ein Mindestanteil von 30 Prozent für Frauen und Männer vorgesehen. In Deutschland wurde 2015 das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im Öffentlichen Dienst“ beschlossen und trat 2016 in Kraft – die Quote liegt bei mindestens 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten von mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Unternehmen. Privatwirtschaftliche Unternehmen, auf die diese Kriterien nicht zutreffen, müssen sich ein eigenes Ziel zur Erhöhung des Frauenanteils in diversen Managementpositionen setzen, wobei keine Mindestquote vom Staat vorgeschrieben wird.
2021 gab es mit dem Zweiten Führungspositionen-Gesetz eine Erweiterung. Vorstände mit mehr als drei Mitgliedern in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen müssen mindestens einen Posten an das unterrepräsentierte Geschlecht vergeben – das Mindestbeteiligungsgebot. Studien haben jedoch gezeigt, dass eine einzige Person in einer repräsentierenden Funktion keine Struktur ändern kann. Es braucht mindestens ein Drittel.
Die Ursprünge der Quote
1979 wurde das internationale „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ (CEDAW), kurz Frauenrechtskonvention, der Vereinten Nationen beschlossen, es wurde von der UN-Generalversammlung verabschiedet, 1981 trat es in Kraft. In Österreich besteht seit dem Staatsgrundgesetz von 1867 der Gleichheitssatz als Verfassungsgebot. Das bedeutet, „alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich“. Seit 1920 wurde dieser Gleichheitsgrundsatz erweitert durch den Satz „Vorrechte der Geburt, des Geschlechts, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.“ Das Gesetz, welches den Mindestanteil von 30 Prozent von Frauen und Männern bei Neubestellungen von Aufsichtsräten in börsennotierten Unternehmen regelt, wurde 2017 beschlossen.
Was spricht für die Quote – und was dagegen?
Stimmen, die gegen die Quote laut werden, beziehen sich oft auf den Diskriminierungsaspekt. Die Quote ziele zwar auf das Ende der Diskriminierung von Frauen ab, würde gleichzeitig aber Männer diskriminieren. Dabei wird oft nicht berücksichtigt, dass die aktuelle Situation mit überdurchschnittlich vielen Männern in den hohen Managementriegen bereits problematisch ist und die Quote für mehr Chancengleichheit, also weniger Diskriminierung auf beiden Seiten des Spektrums, sorgen soll. Dass sie dabei patriarchale Strukturen aufbricht, sorgt für Unmut. Kritisiert wird die Quote aber auch dahingehend, dass ihr Wirkungsspektrum sehr begrenzt sei. Sie ist ein eindimensionales Instrument, das ganz oben an der Karriereleiter ansetzt, ohne die dahinterliegenden Probleme wie das Fehlen flexibler Arbeitszeit, fairer Bezahlung und ähnliche zu traktieren, so Kritikerstimmen.
Auf der Pro-Seite der Argumente für Frauenquote wird oft genannt, dass Freiwilligkeit in Bezug auf Gleichstellung lange Zeit nichts bewirkt hat. Um den Stein nicht nur ins Rollen zu bringen, sondern in absehbarer Zeit auch tatsächliche Ergebnisse zu erzielen, braucht es eine gesetzliche Regelung, so lautet nicht selten das Argument. Dass gemischt-geschlechtliche Führungsteams wesentlich zum wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens beitragen, ist ein weiteres Argument, welches bereits zahlreiche Studien untermauert haben.
„Jede Frau, die über eine Quote in ihre Position gelangte, musste zumindest das Gleiche wie ihre männlichen Kollegen leisten“.
Stigma um die „Quotenfrau“
Dennoch: der Begriff „Quotenfrau“ hat in den vergangenen Jahren eine negative Konnotation erhalten. Zu unrecht, findet das Frauennetzwerk Medien. Um den Begriff zu entstigmatisieren, hat das österreichische Netzwerk 2021 die Kampagne #ReframingQuotenfrau gestartet. „Jede Frau, die über eine Quote in ihre Position gelangte, musste zumindest das Gleiche wie ihre männlichen Kollegen leisten“, zeigt Martina Madner, eine der beiden Vorsitzenden des Frauennetzwerks Medien, auf. Rund 100 Journalist:innen nahmen an der Aktion teil, deren Forderung an die Politik es war, eine Frauenquote von 50 Prozent in den Medien umzusetzen. In Deutschland setzte die Zeitschrift Stern zuvor eine ähnliche Kampagne um. 40 prominente Frauen aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung verkündeten im November 2020: „Ich bin eine Quotenfrau.“ Hinzu kamen Begründungen, warum sie stolz darauf sind oder warum es mehr Quotenfrauen brauche. So sagte Sigrid Nikutta, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn, etwa: „Es geht um Strukturen und es geht um Macht. Da gibt es keine freiwilligen Veränderungen.“ Margarethe Vestager, Vizepräsidentin der EU-Kommission, war früher selbst gegen die Quote, bis ihr klar wurde, „dass es über Jahrhunderte eine informelle Männerquote von 98 Prozent gegeben hat.“
Quote sinnvoll einsetzen – aber wie?
Manche Unternehmen führen freiwillig eine Quote ein. Sei es, weil sie das Potenzial von Diversity für ihr Geschäft erkannt haben oder weil es Kund:innen und Arbeitnehmer:innen immer mehr einfordern. Junge Arbeitssuchende achten bei der Wahl des Arbeitgebers immer stärker darauf, wie divers ein Unternehmen aufgestellt ist. Doch Unternehmen scheitern immer wieder daran, die Quote konsequent umzusetzen. Warum ist das so?
Die Gender Balance-Expertin Anke van Beekhuis erklärt, dass eine Analyse der gegenwärtigen Zusammensetzung der Belegschaft, immer der notwendige erste Schritt ist, wenn eine Gender Balance Quote eingeführt werden soll. Daraus lasse sich auch ablesen, „wo es aufgrund von mangelnder Diversität Führungsschwächen und Wissenslücken gibt,“ so die Unternehmensberaterin. Häufig scheitert die Einführung einer Gender Balance Quote daran, dass zuvor nicht erhoben wurde, in welchen Geschäftsbereichen und wann das Erreichen einer bestimmten Quote auch tatsächlich realistisch ist. „Sehr oft passiert es, das es Vorgaben an die Führungskräfte gibt, die aus praktischen Gründen nicht umgesetzt werden können“, so van Beekhuis, „Etwa weil in einer Branche zu wenige Männer oder Frauen tätig sind.“ Zahlen lügen nicht, daher müsse man sich nüchtern damit auseinandersetzen, erklärt die Expertin, die am 13. September beim Diversity Leaders Exchange einen Vortrag zum Thema „Quote sinnvoll einsetzen: Dos and Don’ts in Unternehmen“ halten wird.
Kommt eine EU-weite Frauenquote?
Ein Blick über die Landesgrenze hinaus zeigt, dass das Thema der gesetzlichen Quote immer präsenter wird. Anfang Juni haben sich die Unterhändler der EU-Staaten und des EU-Parlaments auf verbindliche Frauenquoten für die Führungsgremien börsennotierter Unternehmen geeinigt. Die EU-Mitgliedstaaten müssen bis 2026 eines von zwei Modellen wählen und umsetzen: entweder müssen mindestens 40 Prozent der nicht geschäftsführenden Aufsichtsratsmitglieder Frauen sein. Oder die Aufsichtsräte und Vorstände müssen zusammengerechnet auf einen Frauenanteil von mindestens 33 Prozent kommen. Obwohl sich diese Maßnahme wieder nur auf börsennotierte Unternehmen bezieht, könnte sie Auswirkungen auf die gesamte Unternehmenslandschaft haben. Denn „durch solche Verordnungen von Seiten der Politik, steigt auch der Druck auf andere Organisation,“ erklärt die Expertin, Anke van Beekhuis.