Diverse Teams für eine erfolgreiche Unternehmensführung

Diversität halten manche Manager*innen immer noch für ein nettes, aber entbehrliches Thema im Unternehmenskontext. Mission Female Member und Autorin Fiona Liebehenz zeigt, warum Diversität und diverse Teams heutzutage auch betriebswirtschaftlich betrachtet für den Unternehmenserfolg ein Must-Have sind.

Unternehmen sehen sich großen Herausforderungen gegenüber: Die Geschwindigkeit sämtlicher Industrien und der Grad der Komplexität sind rasant gestiegen, während die Kosten explodieren und der globale Konkurrenzdruck wächst. Ich nehme vielerorts in den Führungsetagen eine gewisse Ratlosigkeit wahr, wie den rasanten Veränderungen zu begegnen ist.

Die Antwort ist zugegebenermaßen nicht einfach und eindimensional, sondern vielschichtig. Doch das Konzept der Diversität zieht sich durch all diese Schichten. Der Grund dafür ist bei den Verursachern des Wandels zu suchen. Lassen Sie uns daher zunächst feststellen, wer diese Verursacher sind.

Die Verursacher des Wandels

Gängige Meinung ist, dass der enorme Fortschritt der technologischen Möglichkeiten für die Veränderungen verantwortlich ist. Doch bei genauem Hinsehen ist die Technologie immer nur der Enabler. Die Verursacher des Wandels und der gestiegenen Notwendigkeit für Diversität sind: wir!

Sie und ich als Kunden und Kundinnen, als Konsumenten und Konsumentinnen. Wir sind es, die wir ständig wachsende Ansprüche haben. 

Wie ich zu diesem Schluss komme, will ich anhand einer kurzen Zeitreise durch die Welt des Einkaufens demonstrieren: In den 1950er-Jahren bedeutete Einkaufen, dass Sie mit Öffnungszeiten, dem eingeschränkten Sortiment eines Ladens und Wartezeiten an der Theke leben mussten. Die Einführung der Supermärkte ab den 1960ern änderte daran nicht viel, außer dass Sie nun an der Kasse statt an der Theke zu warten hatten. Deshalb wandten Sie sich in den 1990ern begeistert dem Online-Shopping zu: Endlich konnten Sie rund um die Uhr und ohne Wartezeit einkaufen, Sie bekamen Ihre Ware sogar an Ihre Türschwelle geliefert. Und heute?

Divers in den Einkaufsoptionen

Einkaufen ist wahrhaft divers geworden, die Möglichkeiten sind noch deutlich vielfältiger und direkter geworden. Produktsuche, Kaufvorgang und Bestellprozesse laufen immer intuitiver. Die Konsument*innen und Kund*innen freuen sich, dass sie von immer mehr Aufgaben, die das Einkaufen früher mühsam gemacht hatten, entlastet werden. Und das Ende der Fahnenstange ist hier noch lange nicht erreicht. So zeigen die chinesischen Vorreiter Shein und Temu gerade auf, was durch eine radikale Optimierung der Angebote durch KI, kombiniert mit vertikaler Integration entlang der Wertschöpfungskette bereits möglich ist.

Es werden also weitere, immer vernetztere und integrierte Einkaufsformen und Vertriebskanäle zu den ohnehin schon zahlreichen Möglichkeiten hinzutreten. Denn die neue Vielfalt und die individuell zugeschnittenen Formen der Absatzkanäle werden die Bedürfnisse der Konsument*innen noch besser erfüllen als die bisherigen Angebote.

Diese Bedürfnisse sind nämlich die nie nachlassenden Treiber des Wandels. Sie verändern sich nicht – in ihrem Mittelpunkt stand und steht das tiefe Bedürfnis nach Convenience, flankiert von den Megatrends Individualisierung und Konnektivität. Das Tempo des Wandels wird daher eher noch zu- als abnehmen. Und mit der Geschwindigkeit wird auch die Komplexität weiter zunehmen …

Divers in der Bearbeitung

Der Grund für die Zunahme der Komplexität ist, dass der beschriebene Fortschritt für die Unternehmen nicht nur einen massiven Zuwachs in der Bearbeitungsbreite in Marketing und Vertrieb mit sich bringt, weil die Zahl der Berührungspunkte mit den Konsument*innen steigt. Gleichzeitig steigt die nötige Bearbeitungstiefe für jeden einzelnen Kanal. Das liegt daran, dass die Aufgaben, die früher die Kund*innen selbst übernehmen mussten, sich nicht in Luft aufgelöst haben. Sie haben sich nur verschoben: Nun müssen die Unternehmen diese Aufgaben in deren Sinne leisten, und das vernetzt über alle Kanäle hinweg.

Diese Leistung können die Unternehmen nur erbringen, wenn sie sich konsequent und nachhaltig mit ihrer gesamten Wertschöpfungskette auf die Kund*innen hin ausrichten. 

Diese neue konsequente Ausrichtung hat Auswirkungen auf alles Denken und Handeln im Unternehmen. Sie muss sich gleichermaßen in der Strategie wie in der Struktur und der Führung wiederfinden. Sie muss schon vom Ansatz her eine neue Diversität beweisen. Meint: Es gilt, eine neue Pace für das ganze System zu finden, zu etablieren und umzusetzen.

Die neue Pace

Meine persönliche Metapher für diese tiefgreifenden Systemveränderung ist eine aus der Welt der Musik, weil ich diese liebe und selbst leidenschaftliche Schlagzeugerin bin. In dem vielschichtigen Wort Pace stecken sowohl die Geschwindigkeit als auch der Takt, der Rhythmus und der Beat. Und das Making verdeutlicht, was für eine anspruchsvolle wie notwendige Aufgabe die Umsetzung dieser neuen Pace ist.

Es bedarf auf allen Ebenen der Einbeziehung unterschiedlicher Betrachtungsweisen – zum Beispiel bei der Gestaltung der Teamstruktur. Ob Teams erfolgreich im Sinne des Unternehmens agieren können oder nicht, darüber entscheiden drei Kriterien: die Diversifizierung in der Anlage, die Diversität in den Teams und schließlich die gute Vernetzung zwischen den Teams.

Divers im Team

Mit den vielen verschiedenen Absatzkanälen, Touchpoints und Interaktionsmöglichkeiten, die ein Unternehmen heute mit seinen Kund*innen und Konsument*innen hat, sind zahlreiche unterschiedliche Erwartungen verbunden. Entsprechend braucht es eine Struktur, mit der sich diese unterschiedlichen Anforderungen fachkundig, spezifisch und individualisiert erfüllen lassen. 

Die Teams der Absatzfunktionen müssen diversifiziert aufgestellt sein, also in ihrer Zusammensetzung den Anforderungen ihres Verantwortungsbereichs angepasst, statt einheitlich über die ganze Unternehmenseinheit hinweg. Das versetzt ein Team in die Lage, sehr genau die Bedürfnisse der Nutzer*innen des einen verantworteten Kanals zu ermitteln sowie die beste Bearbeitungsmöglichkeit zu eruieren und umzusetzen. Gegenüber der althergebrachten Silostruktur hat diese diversifizierte Aufstellung den großen Vorteil, dass die Teams cross-funktional agieren können.

Die Besetzung solcher Teams muss entsprechend der Strategievorgaben gezielt divers ausgestalten werden, denn eine wichtige Eigenschaft der Teams ist, dass sie „end-to-end“-Entscheidungen treffen können. Deshalb wird ein gutes Team in den seltensten Fällen eine funktionshomogene Besatzung haben. Für die Entscheidungsfähigkeit müssen in der Regel unterschiedliche Wertschöpfungsbeiträge, Funktionen und Erfahrungshintergründe, aber natürlich auch diverse demographische Hintergründe zusammenkommen. Fehlt im Team eine Funktion, um die Entscheidungen zu treffen, verliert es seinen eben erst gewonnene Pace gleich wieder: Es muss warten, bis der entsprechende Funktionsträger verfügbar ist.

Dennoch gibt es für die Aufstellung für solche diversen Teams keinen allgemeingültigen Blueprint. Sowohl die Anzahl der Mitarbeitenden als auch die Zusammenstellung der Funktionen kann jeweils variieren. Jedes Team wird von den spezifischen Anforderungen seiner Aufgabe für die Kund*innen gedacht.

Gleichzeitig dürfen sich die Teams nicht voneinander isolieren, da sie ansonsten möglicherweise Potenzial verschenken. Schließlich nutzen die Kund*innen die verschiedenen Einkaufsmöglichkeiten je nach Kontext und Situation flexibel und individuell. Die Vernetzung der diversifizierten und divers besetzten Teams untereinander ist deshalb die dritte Voraussetzung für die erfolgreiche Teamaufstellung im Sinne von “Making The Pace”. Das sichert auch eine inklusive Kultur. 

Diversität als Hebel

Der Wandel in der Welt zwingt die Unternehmen zu einem radikalen Umdenken. Um nicht abgehängt zu werden, müssen sie sich durch einen tiefgreifenden Systemwechsel in die Lage versetzen, Schritt halten zu können. Das ist es, was ich mit Making the Pace meine. 

Dieser Systemwechsel erfordert eine Neujustierung auf vielen verschiedenen Ebenen, und erst im Zusammenklang aller Anpassungen lässt sich dessen Potenzial voll ausschöpfen. Doch vor dem Hintergrund der noch nie da gewesenen Vielfalt in Bearbeitungsbreite und Bearbeitungstiefe ist Diversität in der Organisation, in den Teams und in der Kultur mit Sicherheit einer der wirkungsvollsten Hebel, um ein Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen.

Über die Autorin:

Fiona Liebehenz leitet seit einigen Jahren cross-funktionale Geschäftsbereiche, zunächst für Unilever, Amazon und Bosch, seit Dezember 2023 als globaler » Vice President Processing Key Components, Plant Solutions & Channel Management« für Tetra Pak in Schweden. Die studierte Betriebswirtin und Wirtschaftspsychologin hat parallel in der Praxis Vertrieb, Marketing und Handel von der Pike auf gelernt und anschließend kontinuierlich weitere Funktionsbereiche hinzugenommen. Zudem ist sie Autorin. Ihr Buch »Making the Pace: 15 Prinzipien erfolgreicher Unternehmensführung in einer komplexen Welt« erscheint im März 2024 beim Vahlen-Verlag (ISBN: 978-3-8006-7334-6).

Mission Female GmbH

Mission Female bietet erfolgreichen Frauen ein exklusives Netzwerk von Vertrauen und Austausch auf Augenhöhe und stärkt sie aktiv bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Dabei engagiert sich das 2019 von Frederike Probert gegründete Business-Netzwerk aktiv für mehr Female Power in Wirtschaft, Gesellschaft, Medien, Kultur, Sport und Politik und vereint erfolgreiche Frauen branchenübergreifend auf höchster Ebene mit einem Ziel: Gemeinsam beruflich noch weiter voranzukommen. Immer persönlich, vertraulich und verbindlich ganz nach dem Motto #strongertogether.

https://www.missionfemale.com/ 

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