Die Finanzbranche ist immer noch ein Boy’s Club“. Natalie Westerbarkey, Head of EU Public Policy bei der Fondsgesellschaft Fidelity, ließ bei einer Kurier-Podiumsdiskussion zum diesjährigen Frauentag keine Illusionen aufkommen. Dabei schauen die Zahlen auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus: Der Anteil weiblicher Angestellter in der österreichischen Bankenbranche beträgt 51,9 Prozent. Sieht man ein zweites Mal hin, offenbart sich allerdings, was man bei McKinsey die „kaputte Sprosse“ nennt: In den Führungsetagen sind Frauen nach wie vor eine Seltenheit. Denn auch wenn sich die Zahl der Bankvorstände in der Dekade von 2010 auf 2020 beinahe verdoppelt hat, erreichte sie nur die Zehn-Prozent-Marke. In Deutschland zeigt sich ein ähnliches Bild: Laut Statista betrug dort im Jahr 2021 der Frauenanteil in den Vorständen von großen Banken magere 13,2 Prozent. Für den Mangel an Leading Ladies gibt es eine lange Reihe von Gründen: Traditionelle Rollenbilde und unflexible Arbeitszeiten zählen ebenso dazu wie zu wenig gesellschaftliche Unterstützung für Eltern und die Bildung von Stereotypen in der Schule. Dazu kommt der höhere Anspruch, den Frauen häufig erfüllen müssen, um sich behaupten zu können.
„Ich hatte nie das Gefühl, dass mir als Frau Steine in den Weg gelegt wurden“, sagt Elisabeth Stadler, Generaldirektorin der Vienna Insurance Group, in einem Interview mit der Kleinen Zeitung.
„Aber natürlich: Als Frau muss man immer ein wenig mehr arbeiten und immer ein wenig besser sein.“
Finanzen auf dem Prüfstand
Auch der Gender Pay Gap ist in der Finanzbranche immer noch höher als im Durchschnitt. Eine Analyse der Personalberatung Willis Towers Watson für das Handelsblatt hat etwa gezeigt, dass er in Deutschland im Jahr 2020 ganze 28 Prozent betrug, während er über alle Branchen hinweg gerechnet zu diesem Zeitpunkt bei „nur“ 21 Prozent lag.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: „Zweifellos ist die Finanzbranche immer noch stark von Männern dominiert“, sagt Barbara Katzdobler, Asset Managerin bei der Investmentgesellschaft Matejka & Partner, im Kurier. „Dennoch finden seit einigen Jahren starke Veränderungen statt – beschleunigt durch den Megatrend Nachhaltigkeit und die ,Female Empowerment‘-Bewegung.“
Immerhin gab es in den Aufsichtsräten der österreichischen Banken zwischen 2010 und 2020 eine Verdreifachung von zehn auf 30 Prozent Frauenanteil. Jetzt will der Bankenverband den Frauenanteil in Vorständen bis zum Jahr 2030 auf zumindest 20 Prozent anheben. In der Österreichischen Nationalbank sieht der Frauenförderungsplan 2022 bis 2027 vor, den Frauenanteil in der Führungsebene auf mindestens 33 Prozent zu erhöhen. Und in der Österreichischen Kontrollbank wurden zur Förderung zukünftiger Führungskräfte Talente-Programme mit einem Frauenanteil von 50 Prozent ins Leben gerufen. Zudem wird bei der Gehaltspolitik auf eine strikte Gleichbehandlung aller Geschlechter geachtet.
Schrittweiser Wandel
Auch bei BNP Paribas will man als Vorreiter und Vorbild agieren. Laut Anita Frühwald, CEO Austria & CEE BNP Paribas Asset Management, wurde die Ambition, 30 Prozent Frauen im Board zu haben, bereits im Februar 2021 mit 40 Prozent übertroffen. Beim Versicherer Allianz – dem diesjährigen Gewinner des Beyond Gender Agenda-Rankings – wurde eine spezifische Diversitätseinheit mit eigenem Budget installiert. Und in der UNIQA Insurance Group AG und der UNIQA Österreich Versicherungen AG gab es im Oktober 2020 seitens der Vorstandsgremien ein klares Commitment zum Ziel „Mehr Frauen in Leitungsfunktionen“.
Nach der UNIQA Transformation in den internationalen Gesellschaften weist die Ebene von Boards & Executives einen Frauenanteil von 31 Prozent auf. „Einige Unternehmen sind schon weitergekommen“, räumt Fidelity-Director Natalie Westerbarkey ein. „Vielleicht gibt es einen schrittweisen Wandel.“
In den Kernbereichen „Kapitalmanagement“ und „Kundenbetreuung“ haben allerdings nach wie vor Männer das Sagen. „Bei uns im Executive Team gibt es einen Anteil von 50 Prozent Frauen“, erklärt Sonja Laud, CIO der Investmentgesellschaft LGIM, in einem Interview mit der Zeitschrift Trend. „Im Investment-Team haben wir diese Quote noch nicht, aber wir arbeiten daran. Wir fördern bewusst Frauen, um sie für Aufgaben im Fondsmanagement einsetzen zu können.“
Bei der Raiffeisen KG war bei den Führungskräften im Fondsmanagement bereits 2021 die 50-Prozent-Quote erreicht, gleichzeitig lag man im operativen Fondsmanagement bei ungefähr einem Viertel. „Da gibt es sicher noch Potenzial“, sagt Sabine Macha, Leiterin Produktionsmanagement. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass Frauen bei ihnen nicht nur in den „Pink Ghettos“, sondern in allen Funktionen und Positionen vertreten seien.
„Ein weiblicher CIO wie Ingrid Szeiler ist eine Rarität – auch international.“ Sie ist überzeugt davon, dass die Vorbildfunktion ein wesentlicher Faktor ist. „Je mehr Frauen in der ersten Reihe sind, desto mehr kommen auch nach. Bei uns haben zudem Männer früh angefangen, in Karenz zu gehen und Teilzeit zu arbeiten, das ist für die Mütter in einer Firma fast wichtiger als politische Maßnahmen.“
Sonja Laud schlägt vor, die weibliche Aufmerksamkeit für finanzielle Angelegenheiten zu erhöhen. „Das Problem ist, dass es nicht genügend Frauen gibt, die sich für Investmentthemen interessieren.“ Wie sich das ihrer Meinung nach ändern ließe? „Man müsste generell die Finanzmündigkeit von Frauen viel stärker thematisieren und fördern. Stichwort Versorgungssicherheit oder bei Scheidungen. Aber auch die Fondsgesellschaften müssen am Image der Branche arbeiten.“ Laud hofft, dass die Themen ESG und Nachhaltigkeit dabei helfen werden, denn Frauen würden gern verantwortungsvoll handeln. Tatsächlich hat eine Studie der Uni Mannheim vor vier Jahren ergeben, dass viele einen Job in der Finanzbranche meiden, weil sie ihn nicht mit ihren Moralvorstellungen vereinbaren können.
Zudem wurde die Arbeitsatmosphäre an den Finanzschauplätzen als wenig kollegial und geprägt von Rivalität empfunden. Als wichtigsten Grund jedoch nannten die befragten Studentinnen, dass Jobs im Finanzsektor wenig familienfreundlich seien. Schluss mit Overthinking
Was so manche Frau ebenfalls abschrecken könnte, ist der Raritäten-Status. „In den Teams, in denen ich bisher gearbeitet habe, war ich oft eine der wenigen Frauen“, erinnert sich Zohra Asef, Vice President bei BlackRock in Österreich. Sie selbst hat diesen Umstand allerdings eher als Ansporn gesehen.“
Ein Tipp, den sie Frauen in der Finanzbranche geben kann, ist, vom Overthinking wegzukommen. „Wenn ich gefragt wurde, ob ich eine Aufgabe übernehmen möchte, habe ich immer Ja gesagt. Ich habe mir keine Gedanken gemacht, warum ich es nicht schaffen könnte. Und im Endeffekt habe ich mein Ziel dann immer erreicht.“ Auch Gerda Holzinger-Burgstaller, Vorstandsvorsitzende und Finanzvorständin der österreichischen Erste Bank, rät jungen Frauen zu mehr Selbstbewusstsein. „Ich habe einen Tipp bekommen, den ich gerne weitergebe: bei wichtigen Terminen immer auftreten und unbedingt etwas sagen“, erzählt sie in einem Interview auf Zeit Online. Aus der Tatsache, dass ihre eigene Bestellung in den Vorstand eines großen Bankinstituts im letzten Jahr für viel Medienrummel gesorgt hat, hat sie einen Auftrag mitgenommen: In Zukunft soll die Bestellung einer Frau in eine verantwortungsvolle Position nicht mehr so viel Aufsehen erregen.