Make Gender Equality work

Aber wie? Das fragen sich viele Organisationen in der Industrie, in NPOs, in Beratungsorganisationen etc. DE&I-Expertin und Diversity Leaders Challenge Jury-Mitglied Barbara Buzanich-Pölt liefert Tipps und persönliche Learnings, wie es gelingen kann.

Gute Frage! Aus der Perspektive der Wissenschaft gibt es bereits genug lehrreiches Material und Know-how. Und trotzdem passiert es immer wieder, dass Mitglieder von Organisationen geschult werden und dann verängstigt sind: Was darf ich jetzt überhaupt noch tun? „Geschichten“, die sich seit Jahren durchziehen und halten, Geschichten wie diese: „Mann darf nicht einmal mehr Aufzug fahren mit einer Frau!“

Selten werden positive Wirkungen erlebt und häufig tritt sogar eine Verschlechterung ein. Die Wissenschaft belegt seit langem, dass Schulungen allein zu Verschlechterungen führen. Aus dem Begleiten von Change-Prozessen weiß ich, dass Unsicherheit und Angst, mit denen Menschen sich selbst überlassen werden, selten einen kollektiven Lerneffekt haben und eher Mythen und Gerüchte unterstützen.

Was kann also helfen?

Ich verrate Ihnen 6 Tipps und Learnings aus meiner systemischen Beratungserfahrung zum Thema Gender Equality:

#1 Das Thema zum eigenen machen

Systemisch betrachten wir jede Organisation als soziales System, das eigene Logiken hat. Und das ist auch der Grund, weshalb aus unserer Sicht, standardisierte Ansätze selten funktionieren.

Ich mache gute Erfahrungen mit Personen, die sich innerhalb einer Organisation etablieren und aktiv vorangehen, wenn sich z.B. eine repräsentative Gruppe findet, die so etwas wie ein Kernteam bildet.

Und dieses Kernteam übersetzt: Es findet eine wirksame Sprache innerhalb der Organisation und ist auch Spiegel der Dynamiken, die im Unternehmen wirken. Dafür braucht es natürlich Zeit!

#2 Gemeinsames Aufschlauen

Als Team wird eine gemeinsame Lernreise gestartet, um Hintergründe besser zu verstehen und so eine Expertise zum Thema zu erlangen.

Wie wirken unbewusste Wahrnehmungsverzerrungen? Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten erleben wir zur Gleichstellung? Wann erleben sich Frauen und Männer als Verlierende? Wo liegen potenzielle Hebel in Organisationen? Auf was können wir achten?

#3 Erste Standortbestimmung

Damit Maßschneidern gelingt, ist es wichtig zu wissen, von wo gestartet wird: Welche Dinge laufen gut? Worin können wir besser werden? Was sind unsere Hot-Topics? Und hier kann ich sagen, zahlt sich eine Kulturanalyse der Organisation aus, da es viel um Glaubensätze, Werte und Muster geht. Achten Sie darauf, dass für diese Standortbestimmung Interviews geführt werden, die genau diese Dinge auch „herauskitzeln“.

In diesem Schritt erkennen fast alle Organisationen, wie tief dieses Thema geht.

#4 Achtung: Es tut oft weh!

Ist die Standortanalyse am Tisch, beobachten wir in unserer Praxis häufig zwei Phänomene:

  1. Alles, was bereits gut funktioniert, tritt in den Hintergrund.
  2. Es ist einiges Material dabei, das echt schmerzt. Sowohl Männer als auch Frauen fühlen sich als Opfer und Täter:innen gleichzeitig, Scham steigt auf und das erzeugt Ablehnung.

Ich wappne Kernteams in meiner Arbeit genau dafür. Wir gehen gemeinsam durch all diese Aspekte durch und beleuchten die Themen differenziert: Da geht es um sexuelle Belästigung, um Infrastruktur, Eifersucht oder Benachteiligung und vor allem geht es oft um den Umgang mit Unsicherheit.

Interessant: Das Kernteam fungiert oft als Probebühne für das, was in der gesamten Organisation los ist.

Gemeinsam arbeiten wir an Formen, die für alle Beteiligten „verdaubar“ sind (insbesondere für Führungskräfte). Dabei achten wir darauf, die eigentlichen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren.

#5 Gesellschaftlichen Anteil anerkennen und bitte keine Genderpolizei

Klar ist, Organisationen sind nicht autark, weshalb sich Haltungen und Einstellungen unserer Gesellschaft in den Unternehmen widerspiegeln.

Da existieren z.B. Glaubenssätze wie, „Frauen sind in erster Linie Mütter und haben die Aufsichtspflicht, Männer nicht. Deshalb gehen sie sicher irgendwann in Teilzeit.“ oder „Frauen sind schwächer und können schwere und schmutzige Arbeit nicht machen.“ und „Frauen zicken untereinander und reden schlecht übereinander.“ oder vielleicht: „Frauen sind keine guten Führungskräfte.“ Viele sind an dieser Stelle überfordert.

Aber gerade da fängt es an, richtig spannend zu werden, denn Organisationen können an dieser Stelle richtig viel bewegen – wenn sie das wollen!

Und das Beste daran ist, dass sich mit der Veränderung in der Organisation und der Beteiligten auch eine gesellschaftliche Wirkung entfaltet.

Meine Empfehlung ist hier, sehr achtsam zu sein, damit neu gebildete Initiativen nicht gleich wieder im Keim erstickt werden. Dabei hilft es, positive Beispiele und Initiativen zu finden, die bei Mitarbeiter:innen Neugierde auslösen.

Bitte nicht: Schuldige suchen, Fingerpointing, Sprachpolizei – nichts davon hilft.

Die Annahme, die alles trägt: Alle Beteiligten und Betroffenen agieren aus einer positiven Intention heraus und viele Dinge sind ganz einfach nicht bewusst!

#6 Schritt für Schritt Wirksamkeit herstellen

Mir ist klar, so eine Veränderung geht nicht schnell, sie braucht laufend Aufmerksamkeit und ein bewusstes Begleiten innerhalb der Organisation. Zu alt und tiefliegend sind die Muster, die hier wirken. Hilfreich ist es, eine grobe Road Map zu erstellen, die laufend angepasst wird – auf Basis von Wirkungen, Beobachtungen, Reflexionen und Learnings.

Meiner Erfahrung nach braucht es über die Zeit immer wieder auch eine Außenperspektive, um das eigene Denken, Wissen und Tun mit neuen Impulsen, Erkenntnissen und Erfahrungen anzureichern – wie auch immer man das macht!

Natürlich gibt es noch viele andere Aspekte, die zu berücksichtigen sind. Mir ging es hier um die ersten Schritte und die grundsätzliche Herangehensweise beim Aufsetzen eines Equality-Projektes.

Es braucht unbedingt einen Rahmen, in dem sich Gleichstellung, Gendergerechtigkeit, Augenhöhe und ähnliche Themen gut entfalten können. Das systemische Arbeiten erweist sich als besonders hilfreich. Es gibt mir und auch den Organisationen, mit denen ich arbeite, Halt. Das schätzen alle Beteiligten sehr, besonders dann, wenn es komplex wird.

Welche Erfragungen machen Sie mit meinem Herzensthema? Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen: barbara.buzanich@neuwaldegg.at

Über die Autorin:

Barbara Buzanich-Pöltl ist Equity Partnerin der Beratergruppe Neuwaldegg, Beraterin, Keynote-Speakerin, Gender Equality- und Change-Expertin, Buch-Autorin, Programmleiterin des GENDER EQUALITY LAB, Agile Leadership Campus, Agiler Freiraum, Change Campus. Ihre Herzensthemen sind Geschlechtergleichstellung und Agile Transformation.

Unser Tipp:

Gender Equality Lab der Beratergruppe Neuwaldegg ab 12.4.2024
Schneller Aufbau von breiter Expertise zum Thema. Systemische Grundkompetenzen und Toolbox zu Change & Kultur. Inspiration und Praxis-Austausch mit anderen Organisationen. Praxisorientiertes Arbeiten an eigenen Fällen. Hindernisse und Wahrnehmungsverzerrungen aufdecken lernen. Systemdynamiken wie Macht und Sprache durch gezielte Interventionen bearbeitbar machen. Erkennen, wie Geschlechtergerechtigkeit im eigenen Unternehmen salonfähiger wird. Die eigene Rolle als Change-Expert:in für Gender Equality formen.

Vorteil für die weconomy-Community: 20 % Rabatt auf die Teilnahmekosten

Termine: Kick-off (12.4.2024, 15 – 17 Uhr), Live Lab 1: 24.–26. April 2024, Digital Touchpoint 2: 17.6.2024, 18 – 20.30 Uhr, Digital Touch Point 3: tbd 2024, 18 – 20.30 Uhr, Live Lab 2: 9. – 11. Oktober 2024

artikel teilen

aktuelle artikel