„Oft erst über einen längeren Zeitraum sichtbar“

Warum DEI-Maßnahmen meist Zeit brauchen, bis ihre Vorteile sichtbar werden, Start-ups in diesem Bereich eine First-Mover-Rolle spielen könnten und was es mit der österreichischen „DEInow!“-Initiative für Klein- und Mittelbetriebe auf sich hat, erläutert Kambis Kohansal Vajargah, Head of Startup-Services bei der Wirtschaftskammer Österreich.

60 Prozent der Österreicher*innen befürworten Diversität am Arbeitsplatz, wie profitieren Start-ups davon?

Kambis Kohansal Vajargah: Österreichs Arbeitsplätze werden immer bunter, und die breite Unterstützung dafür ist ein wichtiges Signal an Start-ups. Der Nutzen aus einem diversen Arbeitsumfeld ist vielschichtig. Diversität fördert kreative Ideen und Innovation. Verschiedene Perspektiven und Hintergründe bringen unterschiedliche Denkweisen mit sich, was zu innovativen Lösungen und Produkten führt. Vielfalt verbessert ebenso die Außenwirkung eines Start-ups; Kunden und Partner schätzen das gleichermaßen. Zusammengefasst können Start-ups durch die Förderung von Diversität am Arbeitsplatz von einem breiteren Ideenspektrum, einer positiven Unternehmenskultur und einer gestärkten externen Wahrnehmung profitieren.

Hängt dies eventuell damit zusammen, dass viele ohnedies bereits Diversität am Arbeitsplatz haben, diese aber nicht als solche wahrnehmen, weil es in österreichischen KMUs einfach „normal“ ist, mit Kolleg*innen unterschiedlicher Wurzeln und Ausprägungen zusammenzuarbeiten?

In vielen österreichischen KMUs gibt es bereits Diversität, aber sie wird vielleicht nicht
immer gleich als solche wahrgenommen oder so gelabelt. Insbesondere bei Start-ups und im Tech-Umfeld haben viele Unternehmen erkannt, dass eine vielfältige Belegschaft nicht nur moralisch richtig ist, sondern auch zu besseren Geschäftsergebnissen führen kann. Kulturelle Vielfalt führt zu unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven – um Innovation voranzutreiben und um eine inklusive Unternehmenskultur aufzubauen, in der alle Mitarbeitenden ihr volles Potenzial entfalten können.

Könnten die ESG-Regelungen, die zwar vorerst nur größere Unternehmen betreffen, aber doch eine gewisse Sogwirkung haben, daran etwas ändern?

ESG-Regelungen könnten sicherlich eine Sogwirkung haben und Unternehmen dazu anregen, DEI-Maßnahmen zu implementieren. Die zunehmende Bedeutung von ESG-Kriterien zeigt, dass Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung setzen, langfristig erfolgreicher sein können. Es wird interessant, zu sehen, wie sich die kommende EU-Taxonomie auf die KMU-Landschaft auswirkt. Jedenfalls sollten sich alle Unternehmen mit dem Thema beschäftigen, und vor allem Start-ups können hier wiederum eine „First Mover“-Rolle einnehmen.

Auch die „DEInow!“-Initiative soll dazu beitragen, das österreichische KMUs ein besseres Bewusstsein für DEI-Strategien entwickeln. Gibt es schon konkrete Maßnahmen?

Mit DEInow! wurde Österreichs erstes Forschungsprojekt zu Diversity, Equity & Inclusion in KMUs ins Leben gerufen. Initiatoren sind CommonGround und WOMENTOR, die Wirtschaftskammer Österreich ist mit an Bord, und gefördert wird die Umsetzung durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG). Der Fokus von DEInow! basiert auf der Erforschung nachhaltiger und zielgerichteter DEI-Strategien für österreichische KMUs, die in langfristigen Unternehmenszielen verankert werden können. Und es gilt, herauszufinden, wie Diversität, Gerechtigkeit und Inklusion in diesen KMUs optimal gefördert werden können. Darauf aufbauend können konkrete Maßnahmen geschaffen werden – etwa Schulungen für Unternehmen, Ressourcen für die Umsetzung von DEI Strategien und die Förderung des Bewusstseins für die Vorteile von Diversität am Arbeitsplatz. Die Initiative ist damit ein vielversprechender Schritt.

Kann man schon von konkreten Erfolgen berichten?

Wir wissen, dass die Initiative jetzt schon dazu beiträgt, das Bewusstsein für DEI-Strategien in österreichischen KMUs zu schärfen und konkrete Maßnahmen umzusetzen. Einige der erkennbaren Erfolge sind erhöhte Sensibilisierung, Schaffung von Netzwerken und die Förderung von Best Practices. Nachhaltige Auswirkungen von DEI-Initiativen werden oft erst über einen längeren Zeitraum sichtbar. Eine inklusive Kultur trägt dazu bei, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen und das Potenzial aller Mitarbeiter*innen voll auszuschöpfen. Um Vielfalt in der Belegschaft zu fördern, ist es wichtig, über traditionelle Kanäle hinauszuschauen und aktiv nach Kandidat*innen aus unterrepräsentierten Gruppen zu suchen.

Was bedeutet DEI und was sind klassische DEI-Maßnahmen?

„DEI“ steht für Diversity, Equity und Inclusion und wird auf Deutsch mit „Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion“ übersetzt. Klassische DEI-Maßnahmen konzentrieren sich darauf, erfolgsrelevante Aspekte von Vielfalt in Unternehmen zu ermitteln und konkret zu benennen sowie den Nutzen von unterschiedlichen Kompetenzen, Charakteristiken, Haltungen und kulturellen Hintergründen zu erschließen.

Was sind ESG-Regulatorien und für wen gelten sie?

Bei den ESG-Regulatorien geht es um die betrieblichen Standards betreffend Umwelt, Soziales sowie die Unternehmensführung. „E“ steht für „Environment“, „S“ für „Social“ und „G“ für „Governance“. Wie diese Kriterien künftig verankert werden müssen, ist in der EU-Taxonomie-Verordnung nachzulesen (Zusammenfassung: www.wko.at/finanzierung/eu-taxonomie-verordnung-eutax). Das Hauptaugenmerk liegt auf sechs Umweltzielen, bei denen zu mindestens einem ein wesentlicher Beitrag zu leisten ist; die restlichen fünf dürfen nicht beeinträchtigt werden. Zur Sicherstellung dieser Vorgehensweise dienen technische Prüfkriterien, die an Nachweise geknüpft sind. Darüber hinaus müssen die nach EU-Gesetz gängigen sozialen Mindestanforderungen erfüllt werden. Von der Taxonomie-Verordnung betroffen sind ab 1. Jänner 2024 große Kapitalgesellschaften, Unternehmen von öffentlichem Interesse, Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden, mehr als 20 Mio. Euro Bilanzsumme oder mehr als 40 Mio. Euro Umsatz. Ab 1. Jänner 2026 schlägt sich das Regelwerk auch auf KMUs nieder.

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