Die Zukunft von DEI-Bestrebungen in Unternehmen steht vor einer paradoxen Situation: Einerseits treiben technologische Innovationen und gesellschaftliche Entwicklungen das Thema voran, andererseits erleben wir einen politischen und kulturellen Backlash, der den Fortschritt hemmt. Insbesondere in den USA zeigt sich dieser Zwiespalt deutlich: US-Großbanken treten aus Klimaallianzen aus, und Konzerne streichen Diversitätsprogramme – ein Kurswechsel, der maßgeblich von der Politik des designierten US-Präsidenten Donald Trump geprägt wird.
Auch hierzulande werden kritische Stimmen lauter, wie Vicky Wagner in ihrer Verkündung über das Ende ihres Diversitätsnetzwerks Beyond Gender Agenda feststellt. In einem LinkedIn-Posting erklärt Wagner, dass Diversität kein tragfähiges Businessmodell mehr sei. „Das Thema braucht jetzt keine generelle Aufmerksamkeit mehr, sondern es geht viel mehr um die Umsetzung zielführender Maßnahmen“, so Wagner zur Begründung des Schritts.
DEI als Treiber für Innovation und Resilienz
In einer globalisierten und zunehmend technologisierten Welt ist Diversität ein entscheidender Erfolgsfaktor. Studien belegen immer wieder, dass diverse Teams innovativer und resilienter agieren. Die aktuellen Trends im Bereich DEI unterstreichen, dass Unternehmen, die Diversität aktiv fördern, nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich profitieren:
- Technologische Unterstützung durch KI: Moderne KI-Anwendungen können dazu beitragen, Bias in Entscheidungsprozessen aufzudecken und zu reduzieren. Von der Erstellung genderneutraler Stellenausschreibungen bis hin zur Analyse von Gehaltsstrukturen – KI wird als Werkzeug für gerechtere Arbeitsplätze genutzt.
- Diversität als Teil der Unternehmenskultur: Unternehmen integrieren Diversity-KPIs und Reporting-Systeme, um ihre Fortschritte messbar zu machen. Führungskräfte werden geschult, Diversität aktiv zu fördern, während neue Arbeitsmodelle wie flexiblere Arbeitszeiten und Remote Work die Inklusion fördern.
Doch diese Fortschritte sind zunehmend Gegenstand heftiger Debatten.
„Anti-Wokeness“ – Der Backlash gegen Diversität
In den USA wird unter Donald Trump ein neuer Kulturkampf entfacht. Trump hat sich als scharfer Kritiker von „Woke“-Bewegungen positioniert, die seiner Meinung nach Unternehmen zu einer „übertriebenen politischen Korrektheit“ zwingen. Seine Politik beeinflusst nicht nur den Diskurs, sondern auch konkrete Unternehmensentscheidungen. Große Player wie Ford, McDonald’s, Walmart und zuletzt Meta haben angekündigt, Programme zur Förderung von Frauen und Minderheiten zu überarbeiten oder ganz einzustellen.
Diese Entwicklungen gefährden den Fortschritt, den viele Unternehmen in den letzten Jahren erzielt haben. Gleichzeitig erzeugt der Backlash eine toxische Arbeitsumgebung für Mitarbeitende, die sich für DEI engagieren.
Warum DEI trotz Backlash unverzichtbar bleibt
Trotz dieser Gegenbewegung gibt es zahlreiche Gründe, warum Unternehmen weiterhin in DEI investieren sollten:
1. Wettbewerbsvorteil durch Vielfalt:
Diverse Teams bringen unterschiedliche Perspektiven ein und entwickeln innovative Lösungen. Studien zeigen, dass Unternehmen mit einem hohen Diversitätsgrad in Führungsteams eine höhere Rentabilität erzielen.
2. Der globale Kontext:
Während die USA politisch nach rechts rücken, treiben andere Regionen wie Europa und Asien DEI weiter voran. Der European Accessibility Act fordert beispielsweise barrierefreie Produkte und Dienstleistungen, während asiatische Märkte zunehmend auf Frauenförderung setzen.
3. Talente von morgen:
Die junge Generation der Arbeitnehmer*innen legt großen Wert auf Authentizität und gesellschaftliche Verantwortung. Unternehmen, die Diversität nicht leben, riskieren, ihre Wettbewerbsfähigkeit im „War for Talent“ zu verlieren.
4. Technologie als Chance:
Neue KI-gestützte Tools, die etwa gendersensible Sprache oder Barrierefreiheit in der Kommunikation fördern, machen es leichter, DEI umzusetzen. Unternehmen können diese Technologien nutzen, um Diversität in ihren Prozessen zu verankern und gleichzeitig Kosten zu senken.
Die Herausforderung: Widerstand überwinden
Der Backlash gegen „Wokeness“ ist nicht nur eine politische Bewegung, sondern auch ein Ausdruck von Unsicherheit angesichts eines sich schnell wandelnden gesellschaftlichen und technologischen Umfelds. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese Ängste anzusprechen und ihre DEI-Strategien überzeugend zu kommunizieren.
Maßnahmen und Initiativen sichtbar machen
Weconomy setzt mit der Diversity Leaders Challenge ein starkes Zeichen für gelebte Vielfalt: Wir wollen DEI-Erfolge sichtbar machen und Unternehmen die Plattform geben, ihre wegweisenden Projekte zu präsentieren. Die besten DEI-Initiativen qualifizieren sich für die Minerva Awards. Ob innovative Einzelmaßnahmen oder ausgereifte Strategien – die besten Projekte werden von einer Expert:innen-Jury bewertet und im Frühjahr 2025 auf der großen Minerva Bühne präsentiert.
Die wichtigsten DEI-Trends für 2025
Die zentralen Trends spiegeln sich in den Diskussionen und Erkenntnissen wider, die wir während unserer Masterclasses beim Weconomy Diversity Leaders Summit gewonnen haben. Mit Beiträgen von DEI-Expert:innen und Praxisbeispielen führender Unternehmen wurde deutlich, wie Unternehmen 2025 Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit neu denken und umsetzen können – und welche Herausforderungen dabei auf sie warten.
1. Datengesteuerte DEI-Strategien
Mit der verstärkten Nutzung von KI und Machine Learning in DEI-Initiativen rückt die Datenanalyse ins Zentrum. Unternehmen können Fortschritte verfolgen, Ungleichheiten identifizieren und Compliance-Prozesse automatisieren. Dabei stehen jedoch immer wieder ethische Fragen im Raum.
„Es ist unmöglich, hundertprozentig fair zu sein. Aber indem wir KI gezielt trainieren und Prozesse transparent gestalten, kommen wir näher an das Ziel einer gerechten Entscheidungsfindung“, erklärt Bernadette Fellner, Business Innovation Lead bei PwC Österreich. Diese Technologie ist somit nicht nur Werkzeug, sondern auch Lernfeld für mehr Gerechtigkeit.
2. Fokus auf Inklusion und Barrierefreiheit
Barrierefreiheit wird 2025 von Unternehmen nicht länger als Nebensache betrachtet, sondern als zentrales Element inklusiver Arbeitswelten. Technologien wie Text-to-Speech oder KI-gestützte Übersetzungen helfen dabei, Hindernisse zu überwinden.
„Das Problem ist nicht die Technologie selbst – sondern wie wir sie einsetzen. Wir müssen darauf achten, dass sie nicht bestehende Ungleichheiten verstärkt, sondern Barrieren abbaut“, so Wolfgang Kowatsch, Managing Director und Co-Founder von myAbility. Besonders beeindruckend ist, wie Unternehmen mit KI Menschen mit Behinderungen besser unterstützen können, von vereinfachten Texten bis hin zu besseren Zugangsmöglichkeiten.
3. Ganzheitlicher Ansatz
DEI wird 2025 in alle Unternehmensprozesse integriert – von der Rekrutierung über die Führung bis hin zur täglichen Zusammenarbeit. Ein isoliertes Programm oder einzelne Maßnahmen genügen nicht mehr. „Wir müssen DEI in die DNA von Unternehmen einbetten. Es reicht nicht, nur ein Frauenförderprogramm zu haben; es braucht eine ganzheitliche Strategie“, betont Transformation und High Performance Expertin Anke van Beekhuis. Der Erfolg zeigt sich dort, wo DEI nicht nur ein Abteilungsziel ist, sondern auf allen Ebenen gelebt wird.
4. Mentale Gesundheit als DEI-Schwerpunkt
Psychische Gesundheit rückt immer stärker in den Fokus von DEI-Initiativen. Unternehmen erkennen, dass sie nicht nur für das Wohlbefinden, sondern auch für die Produktivität der Mitarbeitenden entscheidend ist. „Die psychische Gesundheit, besonders von Frauen, die oft mehrfache Belastungen tragen, muss stärker in den Fokus rücken. Das ist ein wesentlicher Teil von echter Inklusion“, betont Johanna Kleinfercher-Alberer vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Angebote wie Mentoring, flexible Arbeitszeiten und psychologische Unterstützung werden dabei immer wichtiger.
5. Globale Standards, lokales Handeln
Unternehmen entwickeln zunehmend globale DEI-Standards, die lokal angepasst werden, um kulturelle und gesetzliche Unterschiede zu berücksichtigen. „Es ist nicht genug, globale DEI-Standards zu setzen. Wir müssen verstehen, wie diese in unterschiedlichen Märkten wirken – sei es in Europa, den USA oder Asien“, erklären Ursula Roberts von PwC Legal und Wanda Traeger von PwC Österreich. Dieser Ansatz ermöglicht es, universelle Werte mit regionalen Bedürfnissen in Einklang zu bringen.
6. Neuausrichtung auf Zugehörigkeit und Unternehmenskultur
Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Diversität und Inklusion ohne das Gefühl von Zugehörigkeit wenig bewirken. 2025 wird der Fokus verstärkt auf die Gestaltung inklusiver Unternehmenskulturen gelegt. „Wenn sich niemand in die Unternehmenskultur integriert fühlt, helfen auch die besten Richtlinien nichts. Zugehörigkeit ist der Schlüssel“, resümiert Nina Zimmermann, CEO von kununu. Unternehmen müssen sich fragen, wie sie dieses Zugehörigkeitsgefühl aktiv fördern können.
7. Widerstand und Backlash
Gleichzeitig zeigt sich in einigen Märkten – insbesondere in den USA – ein deutlicher Backlash. Die „Anti-Wokeness“-Bewegung, angeführt von politischen Strömungen, hat dazu geführt, dass Unternehmen ihre DEI-Initiativen zurückfahren oder auf den Prüfstand stellen. Das zeigt, wie fragil der Fortschritt ist. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, klare Positionen zu beziehen, ohne die gesellschaftliche Polarisierung weiter anzuheizen. Dieser Widerstand macht es umso wichtiger, dass Unternehmen ihre Werte transparent kommunizieren und sie auch unter Druck vertreten.
Handlungsempfehlungen für Unternehmen:
- Ehrliche Kommunikation: Erklären Sie den geschäftlichen und sozialen Mehrwert von DEI. Zeigen Sie, dass Diversität nicht nur „nice to have“, sondern ein Wettbewerbsvorteil ist.
- Messbarkeit: Nutzen Sie KPIs und Berichte, um Fortschritte zu dokumentieren und die Wirksamkeit von Programmen zu belegen.
- Langfristige Perspektive: Trotz kurzfristiger politischer Trends sollten Unternehmen ihre DEI-Strategien als langfristige Investition betrachten.
- Allianzen und Netzwerke: Kooperationen mit anderen Unternehmen und Organisationen können helfen, den politischen Druck abzufedern und DEI-Ziele gemeinsam zu verfolgen.
- Datenbasiert handeln: Nutzen Sie KI, um Ungleichheiten zu identifizieren und Fortschritte messbar zu machen – aber achten Sie darauf, die zugrunde liegenden Biases in den Trainingsdaten zu minimieren.
- Barrierefreiheit priorisieren: Setzen Sie Technologien ein, die Inhalte und Prozesse inklusiv gestalten – von einfacher Sprache bis zu Tools für Neurodiversität.
- Unternehmenskultur leben: DEI darf nicht nur ein Schlagwort bleiben. Fördern Sie eine Kultur der Zugehörigkeit und Transparenz.
- Mental Health unterstützen: Bieten Sie Programme zur Förderung der mentalen Gesundheit an, die auf die Bedürfnisse Ihrer Belegschaft abgestimmt sind.
- Lokal und global agieren: Balancieren Sie globale Standards mit lokalem Verständnis, um DEI authentisch umzusetzen.
- Proaktiv mit Backlash umgehen: Beziehen Sie klar Position für Ihre Werte, ohne dabei die Bedürfnisse unterschiedlicher Stakeholder zu ignorieren.
DEI als Wegweiser für eine gerechtere Zukunft
Trotz des zunehmenden Backlashs bleibt DEI ein unverzichtbares Instrument für Innovation, Resilienz und wirtschaftlichen Erfolg. Unternehmen, die Diversität und Inklusion fördern, positionieren sich nicht nur als attraktive Arbeitgeber, sondern tragen auch dazu bei, eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen. Die Aufgabe liegt nun darin, die Widerstände zu überwinden und die Transformation entschlossen voranzutreiben – denn die Zukunft gehört denen, die Mut zur Vielfalt haben.