Die Meinungen über junge Menschen in Führungspositionen gehen zum Teil weit auseinander. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass die Fähigkeiten einer Person im jungen Alter, die bereits in einer Führungsposition tätig ist, von deren individuellen Persönlichkeit, vorhandenen Fachkenntnissen und der Sozialkompetenz abhängen. Es steht außer Frage, dass dies bei wohl allen Führungskräften, unabhängig von deren Altersgruppe der Fall ist.
„Asymmetrische Führungskonstellationen sind eine Herausforderung, weil sie ein hohes Maß an Vertrauen, Verständigung und Koordination erfordern … Schaut man jedoch genau darauf, gehört zur Organisationskultur auch der Bruch mit formalen Regeln“, meint Stefan Kühl, Professor für Organisationssoziologie an der Uni Bielefeld. Das „Manager Magazin“ betont, dass asymmetrische Führungskonstellationen eine Chance für Alt und Jung sind, um wechselseitig voneinander zu profitieren: „Um diese Synergien zu nutzen, braucht es einen offenen Dialog, eine gegenseitige Wertschätzung und eine gemeinsame Zielsetzung“.
Doch was darf man sich unter den oben genannten Herausforderungen und Chancen, den möglichen Synergien und wechselseitigen Profiten nun ganz konkret vorstellen? Der Artikel geht näher auf die Ursachen, Auswirkungen und Gestaltungsoptionen asymmetrischer Führungskonstellationen ein und welche Challenges in der realen Arbeitswelt damit einhergehen, wenn jüngere Führungskräfte auf ältere Mitarbeitende treffen.
Zu Beginn sollten wir allerdings einen kurzen Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen und Strömungen werfen, die unseren Arbeitsalltag zum Teil schon heute, in den kommenden Jahren aber ganz maßgeblich prägen werden.
5 Trends, die für asymmetrische Führungskonstellationen sprechen
Digital Literacy wird zum zentralen Leadership Skill
Die Globalisierung als Treiber der New Work Bewegung geht zugleich mit zahlreichen Möglichkeiten für junge Führungskräfte einher, ihre Kompetenzen auf unterschiedlichsten Spielfeldern auszuarbeiten.
Die rasante Dynamik und Ausbreitung digitaler Technologien verändern die Formen, wie Menschen kommunizieren, kooperieren und miteinander lernen. Eine moderne Führungskraft muss befähigt sein, digitale Tools effektiv zu nutzen, zweckmäßig an betriebliche Belange anzupassen sowie zielgerichtet weiterzuentwickeln.
Leiter:innen sollten in der Lage sein, ihre Mitarbeiter:innen in Sachen Digitalisierung fördernd und fordernd zu begleiten. Zur essenziellen Anforderung wird insbesondere, die digitale Kompetenz des Kollegiums zu schulen beziehungsweise zu erweitern.
Asymmetrische Führungskonstellationen können die digitale Kreativität der jüngeren Führungskräfte mit dem bewährten Fachwissen der älteren Mitarbeiter:innen multiplizieren.
Zunehmende Globalisierung verlangt interkulturelle Kompetenz
Die rapide Vernetzung und multinationale Pluralisierung von Firmen verlangen Führungskräfte, die kulturelle Differenzen respektieren und effizient fürs Unternehmenswachstum nutzen. Jüngere Leiter:innen zeigen in der Regel ein deutliches Plus an interkultureller Kompetenz. Sie können sich überdies eher an neuartige Arbeitsbedingungen im Ausland anpassen. Asymmetrische Führungskonstellationen bieten zudem Vorzüge, weil junge Leitungskräfte es möglicherweise verstehen, Synergien zwischen diversen Perspektiven innerhalb der Belegschaft voranzutreiben.
Mehr Akzeptanz für Individualität
Die wachsende Autonomie und Diversität der Individuen führt zu gesteigerten Anspruchshaltungen, geschmälerter Akzeptanz von Unternehmenshierarchien und Präferenzen zur Selbstverwirklichung.
Eine Führungskraft muss darum Kompetenzen besitzen, die Einzigartigkeit der Kolleg:innen zu schätzen und vertrauensvolle Beziehungen zu den Mitarbeiter:innen aufzubauen. Hierzu ist eine förderliche, kooperative Leitungskultur zu entwickeln.
Asymmetrische Führungskonstellationen können letztlich Vorteile bieten, falls sich jüngere Leiter:innen empathisch zeigen, um wechselseitige Anpassungsbereitschaften im Kollegium zu stärken.
Gemeinsam weiterentwickeln statt einsam Statuspunkte sammeln
Viel mehr als auf Status richten junge Führungskräfte ihr Augenmerk auf positive Weiterentwicklung in all ihren Formen – ob persönlicher oder wirtschaftlicher Natur.
Kreativität, Menschlichkeit, ein Faible für unkonventionelle Führungsstrategien mit mehr Eigenverantwortung sowie die bewusste Gestaltung von Arbeitswelten befähigen die Chefs / Chefinnen von morgen zum Impact auf andere, sich selbst und eine dynamische Arbeitskultur.
Dies birgt insbesondere Chancen für Branchen mit schlechtem Image oder anspruchsvollen, fremdbestimmten Rahmenbedingungen.
Aktuelle Herausforderungen brauchen nachhaltige Visionen
Die Wahrnehmung ökologischer, sozialer und ökonomischer Herausforderungen erfordert Führungskräfte, welche in langfristigen Perspektiven denken und für interkulturelle Werte eintreten. Zusätzlich sollten sie ein verantwortungsbewusstes Handeln demonstrieren.
Leiter:innen sollten Fertigkeiten zeigen, eine nachhaltige Unternehmensvision zu verwirklichen, ökologische Maßstäbe zu setzen und hierzu wegweisende Lösungen zu finden. Asymmetrische Leitungskonstellationen ermöglichen eindeutige Benefits, wenn sie die vielfältigen Sichtweisen der Stakeholder:innen angemessen berücksichtigen und aufeinander beziehen können.
Junge Leader:innen verfügen durch eine zeitgemäße Ausbildung und ihr dynamisches Lebensalter über das dazu nötige Know-how.
Demografischer Wandel begünstigt neue Leadership-Konstellationen
Der demografische Wandel bedingt ein höheres Durchschnittsalter von Belegschaften. Mitarbeitende werden zugleich zahlenmäßig weniger, aber auch älter. Die Überalterung und Bevölkerungsabnahme führt in den Firmen zum gravierenden Fachkräftemangel, einer längeren Lebensarbeitszeit und einem breiteren Altersspektrum.
Asymmetrische Führungskonstellationen bieten bei solchen Herausforderungen ein Plus, da sie den Wissens- und Erfahrungstransfer – ohne Senioritätsprinzip – zwischen den Generationen fördern. Dieser Umstand erfordert einen engen Zusammenhalt der Generationen, Bewusstsein für gesundheitliche Prävention und die Fähigkeit, verschiedene Persönlichkeitstypen zu motivieren. Aufgrund ihres gesellschaftlichen Backgrounds verfügen nachrückende Führungskräfte über die erforderliche Flexibilität zur Koordination dieser vielseitigen Anforderungen unter anhaltendem Veränderungsdruck. Durch ihre Vorbildfunktion bestärken sie Angestellte darin, sich durch mehr Eigenverantwortung weiterzuentwickeln und freier zu fühlen.
Asymmetrische Führung ist für generationsübergreifenden Wissens- und Kompetenztransfer wichtig
Nach wissenschaftlichen Studien können asymmetrische Führungskonstellationen für die Wirtschaftsunternehmen wertvoll sein. Dafür gibt es vielerlei Gründe:
Vielfalt wird gefördert: Die Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und Werten verbessert die Kreativität, Innovationsbereitschaft und Problemlösungskompetenz innerhalb der Teams. Eine solche Vielfältigkeit bezieht sich auf Merkmale, die leicht wahrnehmbar sind, wie Alter, Geschlecht oder fachliche Qualifikation. Sie kann zu kognitiven Elaborationsprozessen führen, bei denen die Teammitglieder ihre naturgemäß unterschiedlichen Perspektiven und Lebenserfahrungen nutzen, um gemeinsam Probleme effektiver zu lösen und neue Ideen zu generieren.
Lerntransfers werden ermöglicht: Jüngere Führungskräfte können von älteren Mitarbeitenden Fachwissen, einschlägige Erfahrungen und bewährte Kniffe für Problemlösungen erwerben. Zum anderen erlernen ältere Kolleg:innen von jüngeren Leiter:innen den effektiveren Umgang mit neuen Technologien und zeitgemäßen Trends.
Die kollektive Anpassungsfähigkeit steigert sich: Jüngere Führungskräfte sind flexibler und offener für Veränderungen, während ältere Mitarbeitende sich gewöhnlich als beständiger, erfahrener und stabiler erweisen. Diese polarisierten Soft Skills können die Agilität des Unternehmens ankurbeln.
Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich, wenn Jung Alt führt?
Zum einen wären Offenheit, Optimismus und Begeisterung zu nennen. Zum anderen werden die Trends der jungen Generation und aktuelle Entwicklungen verstanden, die letztendlich für das Unternehmen von Vorteil sein können – sei es in der Produktentwicklung oder im Marketing. Junge Führungskräfte verfügen häufig über ein ausgeprägtes technologisches Verständnis. Durch eine moderne Sichtweise auf die Dinge hinterfragen sie häufig bestehende Normen und sorgen somit nicht selten für einen positiven Wandel.
Probleme, mit denen junge Führungskräfte manchmal zu kämpfen haben, ist die skeptische Haltung der älteren Mitarbeitenden des Unternehmens: Grund dafür ist häufig eine geringe Berufserfahrung. Es dauert in einigen Fällen länger, bis junge Führungskräfte sich das Ansehen der Kolleg:innen erarbeitet haben. Der Umstieg von der Fachkraft zur Führungskraft bringt neue Aufgaben mit sich. Eine besondere Herausforderung besteht für viele junge Führungskräfte darüber hinaus auch darin, Aufgaben an ältere Kolleg:innen zu delegieren.
Um den Herausforderungen der asymmetrischen Führung bei erhöhter Altersdiversität gerecht zu werden, entwickelten Arbeits- und Organisationsgestalter integrative Modelle.
Das Generationen-Management in Unternehmen zielt beispielsweise darauf ab, die Potenziale und Bedürfnisse diverser Altersgruppen besser zu berücksichtigen. Für das hohe Ziel werden altersgemischte Teams, eine altersgerechte Arbeitsgestaltung und lebensphasenzentrierte Aufgabenverteilungen etabliert.
Worauf kommt es bei asymmetrischen Führungskonstellationen an?
Wichtig ist, dass die jüngeren Führungskräfte Sozialkompetenzen besitzen sowie Vielfalt und Potenziale des Kollegiums zu schätzen und nutzen wissen. Sie sollten eine vertrauensvolle Beziehung zu den Mitarbeitenden aufbauen können.
Mut zum Unbequemen
Eine der wichtigsten Eigenschaften der Generation nachrückender Führungskräfte ist der Mut zum Unbequemen. Die Bereitschaft, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und die Grenzen der eigenen Komfortzone zu verschieben, öffnet nicht nur den Horizont künftiger Vorgesetzter, sondern bereitet zudem den Boden für anstehende Veränderungen und fördert eine offene Kultur der Kommunikation. Der unbedingte Wille zum positiven Wandel potenziert Erfolge, Effizienz und Wohlbefinden.
Diversität als Schlüssel zum Erfolg
Haben Individualität und Vielfalt Führungskräfte der alten Schule lange Zeit vor Schwierigkeiten bei der Koordination von Teams gestellt, begreifen Young Leaders Diversität nunmehr als Schlüssel zum Erfolg. Die naturgemäße Affinität der Generation Z zu gesellschaftlicher Verantwortung bietet Chancen für multidisziplinäre, heterogene und sich sinnvoll ergänzende Synergien. Unterschiedliche Backgrounds gestatten es, ausgetretene Pfade mit ihren intrinsischen Grenzen zu verlassen, um innovative Ansätze zu leben.
Wünschenswert ist, dass die Leitungskräfte über gemeinsame Zielsetzungen das soziale Lernen und die Zusammenarbeit in den altersdiversen Teams fördern.
Hierzu benötigen die jüngeren Vorgesetzten diverse Soft Skills, wie beispielsweise Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke, pragmatische Ergebniszentrierung, analytische Begabung, Durchsetzungsvermögen und Motivationsfähigkeit. Diese Soft Skills können innerhalb spezieller Trainings oder durch Erfahrungslernen erworben werden.
Ein gelungenes Praxisbeispiel
Ein aussagefähiges Best Practice Beispiel für eine erfolgreiche asymmetrische Führung von Älteren durch Jüngere ist das Berliner Software-Unternehmen Signavio. Die moderne Firma wird vom Informatiker Gero Decker geführt, der gerade 31 Jahre jung ist. Der innovative Softwareentwickler beschäftigt mehr als 200 Fachleute aus über 20 Ländern.
Deckers Trümpfe sind eine flache Hierarchie, offene Kommunikationsstile sowie eine teilhabende Führungskultur. Er bezieht seine Mitarbeitenden in aktive Entscheidungsprozesse ein, gibt ihnen faire, wertschätzende Feedbacks und fördert zielgerichtet ihre Weiterentwicklung.
Der Informatiker respektiert Erfahrungen und Fachkenntnisse der älteren Kolleg:innen und setzt diese weitsichtig als Multiplikatoren für zukunftsträchtige Innovationen ein. Er schafft im Betrieb eine positive Arbeitsatmosphäre, in der generationsübergreifende Vielfältigkeit als Bereicherung aller Teams angesehen wird.
Das Praxisbeispiel zeigt, wie asymmetrische Führungskonstellationen zu fruchtbaren Innovationen und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beitragen. Ein Mehr an Wertschätzung, guter Kommunikation und vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten fürs Kollegium wird sich auszahlen, wenn Nachwuchsleiter:innen solche Zusammenhänge beachten.
Fazit
Eine innovative Führungskraft muss darin begabt sein, die Bedürfnisse und Erwartungen der unterschiedlichen Berufsgenerationen mit sicherem Gespür wahrzunehmen. Ihr Aufgabenbereich erstreckt sich zudem darauf, die Motivation und Fitness der altersdiversen Mitarbeiter:innen kontinuierlich zu erhalten.
Asymmetrische Führungskonstellationen bieten ein erhebliches Plus, da sie die Weitergabe von Wissen und Erfahrung zwischen den Generationen fördern können. Die unerlässliche Voraussetzung hierfür ist jedoch ein offenes Arbeitsklima bei gegenseitiger Wertschätzung und Akzeptanz unter den Kolleg:innen.
Über die Autorin
Dr. Irène Kilubi ist promovierte Wirtschaftsingenieurin und Unternehmensberaterin und hat für namhafte Unternehmen wie BMW, Deloitte, Siemens und Amazon gearbeitet.
Nach vielen beruflichen Stationen folgt sie jetzt ihrer ganz persönlichen Leidenschaft und widmet sich den Themen Joint Generations, Community Building und Corporate Influencer Strategie. Darüber hinaus ist sie als Expert Advisor für den European Innovation Council Accelerator der Europäischen Kommission tätig. Dr. Irène Kilubi ist Universitätsdozentin für Digitales Marketing und Entrepreneurship, Beirätin und eine gefragte Keynote Speakerin und Moderatorin auf Konferenzen und Veranstaltungen.
Sie erhielt im Juli 2023 den Audience Award beim Impact of Diversity Award und wurde 2023 zu den Top 100 Women für Diversity von Beyond Gender Agenda und 2022 von w&v zu den Top 10 Expert*innen für Brand Communities gewählt. Dr. Irène Kilubi wurde zum „Xing Top Mind 2020“ in der Kategorie Personal Branding und Marketing sowie zum „Xing Top Mind 2022“ in der Kategorie Diversity gekürt und ist Mitautorin des im Jahr 2021 erschienenen zweifachen Bestsellers (Spiegel und Manager Magazin) „Zukunftsrepublik“.
Sie erhielt für ihre Social Impact-Initiative Joint Generations bereits zweimal den Xing New Work Award 2021, den 1. Platz in der Kategorie Zukunftsentwürfe und den 2. Platz in der Kategorie Publikums-Award sowie den 1. Platz des Impact of Diversity Award in der Kategorie Age Inclusion 2021. Dr. Irène Kilubi ist Zukunft Personal Face 2022 und 2023.
Darüber hinaus war die Unternehmerin im Jahr 2021 Teil der TOP 10 Female Business Influencer mit dem Schwerpunkt „New Work“ des Strive Magazine. Sie wurde während der Kampagne „Innovationsland Deutschland“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung als „Die Frau, die Changemaker zusammenbringt“ betitelt.