„Barrieren haben mich immer zu Verbesserungen motiviert“

Caroline Wallner-Mikl ist bei den Wiener Linien für Diversitätsagenden zuständig. Sie erklärt, wie Unternehmen zur finanziellen Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderungen beitragen können, und wie Frauen sowohl für technische Berufe als auch für Führungspositionen gefördert werden.

WEconomy: Frau Wallner-Mikl, Sie haben bereits bei REWE die Diversity Agenden vorangetrieben, heute machen Sie das bei den Wiener Linien: Warum ist Ihnen das Thema wichtig?

Caroline Wallner-Mikl: Das Thema Menschen mit Behinderungen begleitet mich seit meiner Studienzeit und Arbeit bei der Lebenshilfe. Die Barrieren, die Menschen mit Behinderungen vorfinden – vor allem in beruflicher Hinsicht – haben mich immer motiviert, Verbesserungen zu erwirken. Andere Themen wie Gender Equality oder LGBTIQ sind mit der Zeit dazugekommen.

Was bedeutet für Sie in dem Zusammenhang Vielfalt?

Vielfalt ist für mich wichtig. Es ist mir ein Anliegen, dass meine Kinder in einer vielfältigen Gesellschaft aufwachsen. Wien bietet dazu auch so viele Möglichkeiten.Bar

Am Diversity Confidence Day am 10.10. wurde immer wieder auf die Verantwortung der Unternehmen hingewiesen, um Inklusion voranzutreiben. Warum erfüllen Unternehmen so eine wichtige Rolle, wenn es um Diversität und Akzeptanz geht?

Als Arbeitgeber tragen Unternehmen dazu bei, dass Menschen mit Behinderung ökonomisch selbstbestimmter leben können. Dadurch wird auch das Bild von Menschen mit Behinderungen in der Öffentlichkeit beeinflusst. Der Fokus liegt auf Potenzialen und Leistungsbereitschaft, der Mitleidsgedanke rückt zunehmend in den Hintergrund. Und das ist gut so!

Welche Maßnahmen setzen die Wiener Linien heute bereits um, um für mehr Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz zu sorgen?

Wir sorgen in vielerlei Hinsicht dafür: Wir bestärken kompetente Mitarbeiterinnen darin, sich auch Führungspositionen zuzutrauen. Zudem fördern wir junge Frauen, aber auch Frauen auf dem 2. Bildungsweg in technischen Berufen (Elektronikerinnen).

Wie sieht es mit unterschiedlichem Migrationshintergrund aus?

Bewerber:innen mit unterschiedlichen Migrationsbiografien (vor allem im Bus- und Straßenbereich) bieten wir bereits neben der Fachausbildung einen Sprachkurs mit Trainer:innern an, um möglicherweise unzureichende Deutschkenntnisse zu verbessern.

Wie schwer ist es, auch das Thema Behinderung am Arbeitsplatz zu bearbeiten?

Als nächsten Schritt möchten wir uns intensiv dem Thema Disability widmen. Wir sind hier im Aufbau und derzeit in der Sensibilisierungsphase für Führungskräfte.

Machen Sie auch etwas für die queere Community?

Bei den Wiener Linien gibt es ein aktives LGBTIQ-Netzwerk, das über Abteilungs- und Hierarchie-Grenzen hinweg aktiv ist.

Welche Maßnahmen sind für die Zukunft geplant?  

Meine Kolleginnen und ich freuen uns auf ein barrierefreies Recruiting-Tool. Intern wollen wir den Recruitingprozess für Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Bedürfnissen optimieren. Außerdem wollen wir Ausbildungsunterlagen in einfacherer Sprache anbieten. In Kürze starten wir auch mit dem „Netz der Vielfalt“, einem internen Netzwerk für alle, die sich zum Thema Diversity austauschen möchten. Das Netzwerk bietet Raum für Diskussionen und Auseinandersetzungen.

Wieso bemüht man sich bei den Wiener Linien, mehr Frauen in technische Berufe zu bekommen?

Wieso denn nicht? Sie machen sehr gute Arbeit! Es gibt hervorragende Technikerinnen in unserem Haus und wir wollen natürlich mehr davon. Ich habe vor kurzem eine neue Kollegin in einem handwerklichen Bereich kennengelernt, die mir erzählt hat, dass sie schon von klein auf mit ihrem Vater an diversen Sachen herumgeschraubt hat. Manche bekommen diese Leidenschaft mit und andere treffen die Entscheidung auf dem 2. Bildungsweg – wie eine 46-jährige Nageldesignerin, die bei uns eine Elektronik-Lehrausbildung absolvierte.

Wow, da kommt eine ziemliche Bandbreite zusammen. Wieso sind derzeit noch so wenig Frauen in technischen Berufen tätig?

Insgesamt sind Frauen immer noch sehr zurückhaltend, was technische Berufe betrifft. Daher setzen wir Akzente, um Frauen den Einstieg in die Technik zu erleichtern, z.B., indem wir Frauen auf dem 2. Bildungsweg eine Ausbildung für technische Berufe ermöglichen (FIT-Programm).

Was muss sich an der Einstellung von Führung, aber auch Mitarbeitenden ändern, damit Inklusion zur Norm wird?

Das vorherrschende Bild muss sich ändern. Dazu muss man den direkten Kontakt und Perspektivenwechsel fördern, damit sich alle als gleichberechtigte Mitglieder unserer Gesellschaft fühlen. Da müssen wir alle noch ein Stück des Weges gehen und kontinuierlich daran weiterarbeiten.

Gibt es eine Vision, ein Mission Statement für Diversity und Inklusion bei den Wiener Linien?

Es gibt die Prinzipien des Miteinanders. Darin ist Vielfalt als integraler Bestandteil unseres Unternehmens verankert und jede und jeder muss ihren und seinen Beitrag dazu leisten. Eine konzernübergreifende Vielfaltsstrategie ist gerade in Ausarbeitung.

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