WEconomy: Wie wichtig ist es heute für Unternehmen, den Faktor Diversität und Inklusion zu berücksichtigen?
Maresa Mayer: Das Wort Diversity, zu Deutsch Vielfalt, ist seit Jahren in aller Munde. Viele österreichische Unternehmen bemühen sich mittlerweile, Menschen verschiedener Backgrounds zu rekrutieren. Das spiegelt in erster Linie die Vielfalt der Gesellschaft wider. Über ein Viertel der Menschen, die in Österreich leben, haben zudem Migrationshintergrund. Auch Alter, Bildungsgrad, sexuelle Orientierung, Behinderungsstatus oder sozioökonomischer Hintergrund sind Kategorien, in denen die Vielfalt in Unternehmen gelebt werden sollte.
Wie wichtig ist Bewerber:innen oder Mitarbeiter:innen das Thema Diversität?
Eine aktuelle repräsentative Studie von karriere.at hat ergeben, dass über die Hälfte der österreichischen Arbeitnehmer:innen – insbesondere junge Menschen und Frauen – proaktive Maßnahmen zur Inklusion von Frauen und Minderheiten erwarten. Fast 60 Prozent halten Diversität für einen wichtigen Unternehmenswert und ein Viertel der Kandidat:innen würde sich bei einem Unternehmen erst gar nicht bewerben, das nicht auf Chancengleichheit und Diversität achtet.
Nehmen Sie Unterschiede wahr zwischen kleinen und großen Unternehmen?
Bei einer nicht repräsentativen karriere.at-Befragung von 810 Unternehmens-vertreter:innen haben etwas über die Hälfte angegeben, dass in ihrem Unternehmen proaktive Maßnahmen zur Förderung von Frauen und Minderheiten umgesetzt werden. Einen Unterschied zwischen kleineren und größeren Unternehmen konnten wir nicht feststellen.
Gelebte Diversität wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf die Unternehmenskultur und die Identifikation der Mitarbeiter:innen mit dem Unternehmen aus. Was berichten die Unternehmensvertreter:innen dahingehend?
Die Unternehmensvertreter:innen wurden gefragt, welche Missstände die Unternehmenswerte am meisten gefährden. Wo wir einen Unterschied sehen konnten, war bei Diskriminierung.
Inwiefern unterscheiden sich da die Unternehmen?
Hier gaben 13 Prozent der Befragten aus kleinen Unternehmen, aber 22 Prozent aus großen Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden an, dass es Diskriminierung sei, die die Unternehmenswerte am meisten gefährde.
Was hat in den letzten Jahren besonders dazu beigetragen, dass Unternehmen mehr auf Diversität und Inklusion achten (müssen)?
Einen wesentlichen Einfluss hatte sicher die gesetzliche Lage. Sämtliche Bereiche eines Arbeitsverhältnisses sind von den Diskriminierungsverboten des Gleichbehandlungsgesetzes und des Behinderteneinstellungsgesetzes erfasst. Ausgehend von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft wurden diese Gesetze umfassend novelliert, um diesen Schutz vor Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung und wegen einer Behinderung sicherzustellen. Das betrifft auch Stellenausschreibungen.
Wie muss eine Stellenausschreibung gestaltet sein, damit sich nicht nur hetero-normative Personen, Menschen ohne Behinderungen und Einschränkungen, Menschen unter 50 oder nur Männer angesprochen fühlen?
Stellenausschreibungen sollten prinzipiell neutral formuliert sein, sich also ausschließlich auf die Tätigkeit beziehen und nur Anforderungen enthalten, die für die ausgeschriebene Stelle wirklich relevant sind. Darüber hinaus ist es möglich, in einem Stelleninserat ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Bewerbung von Frauen und Minderheiten erwünscht ist – oder auch von Männern in Branchen mit hohem Frauenanteil.
Und was geht gar nicht in einer Jobausschreibung?
Inakzeptabel sind Stellenausschreibungen, die Anforderungen enthalten, die nichts mit der beruflichen Qualifikation zu tun haben (harmonisches Familienleben, adrettes Äußeres etc.).
Welche Tipps würden Sie Unternehmen mitgeben, wenn es um Recruiting geht, das inklusiv sein soll und transportiert, dass in einem Unternehmen Inklusion gelebt wird statt nur auf einer Plakette oder Regenbogenfahne zu stehen?
Wir alle haben unterbewusste Vorurteile (Bias), die wir im Laufe unseres Lebens durch Erfahrungen entwickeln und verinnerlichen. Diese Stereotype manifestieren sich in unserem Alltag – überwiegend unbemerkt. Damit diese nicht zur Diskriminierung bestimmter Personengruppen und internen Konflikten führen, können Unternehmen ihre Belegschaft mit speziellen Bias-Schulungen und Workshops sensibilisieren und Verhaltensrichtlinien etablieren.
Und wenn es solche Schulungen (noch) nicht gibt? Wie stellen Recruiter:innen sonst die Unabhängigkeit ihrer Entscheidung für oder gegen Bewerber:innen sicher?
Speziell für das Recruiting empfiehlt es sich, bei Einstellungen das Vier-Augen-Prinzip durchgehend zu etablieren, um sicherzustellen, dass die Auswahl von Bewerber:innen nach möglichst objektiven Kriterien erfolgt. Außerdem können quantitative und überprüfbare Ziele in Bezug auf Diversity etabliert werden, etwa Frauenquoten in der Führungsebene.