„Unsere Lösung ist Diversity“

Gerda Damböck spricht in ihrer Interview-Serie mit Menschen, die sich intensiv mit dem Thema Diversity auseinandersetzen. Dieses Mal hat sie Maria Ziller, Head of HR Salzburg AG, getroffen.

Maria Ziller (35) brennt für das Thema Diversity. Sie treibt das DEI-Programm bei der Salzburg AG und hat gemeinsam mit ihrem Projektteam eine kulturverändernde Reise angestoßen. Ich erlebe Maria als sehr inspirierende Frau, die ihre Erfahrungen gerne teilt und konsequent für ihre Überzeugungen einsteht. Ich konnte einige meiner Fragen mit ihr challengen und empfehle das Interview allen Unternehmensvertreter*innen, die sich bereits mit Diversity beschäftigen oder den Einstieg ins Thema planen. Maria und ich sind überzeugt, dass Unternehmen in ihrer Verantwortung einen Beitrag zu einer bunteren, inklusiveren Welt leisten können.

Maria, wir haben gemeinsam an einem Diversity Leaders Exchange von SHEconomy teilgenommen. Du hast präsentiert, wie ihr das Thema im Unternehmen vorantreibt, und das hat mich sehr beeindruckt. Ich freu mich, dass du dir Zeit für ein Interview nimmst. Was bedeutet Diversity für dich?

Diversity bedeutet für mich Vielfalt, wobei ich dabei ein Bewusstsein für die aktive Gestaltung und Auseinandersetzung mit Vielfalt mitdenke. Wenn die Chancen erkannt und sichtbar gemacht werden, können völlig neue Rahmenbedingungen entstehen. Ich mag es sehr, dass ich mich beruflich mit dem Thema Diversity beschäftigen darf. Als Head of HR bei der Salzburg AG kann ich gemeinsam mit meinem Projektteam ein Programm für Chancengleichheit im Unternehmen ausarbeiten und umsetzen. Den Auftrag dazu bekam ich damals von unserer neuen Vorständin, der ersten Vorständin in der österreichischen Energiewirtschaft. Ich stecke wirklich sehr viel Herzblut in dieses Projekt, weil mich die Themen rund um Diversity schon vorher interessiert haben. Mit diesem neuen Rahmen und den umfangreichen Gestaltungsfreiräumen habe ich jetzt allerdings ganz andere Möglichkeiten, das Thema wirklich zu pushen und auf breiter Basis im Unternehmen voranzutreiben.

 

 

„Unser Top Management ist überzeugt, dass Diversity der Schlüssel zu besseren Produkten, nachhaltigen Innovationen und einem gesunden Arbeitsumfeld ist”.

 

Deine Begeisterung ist voll spürbar. In vielen Interviews wurde betont, dass es enorm wichtig ist, dass Diversity-Initiativen vom Vorstand mitgetragen werden. Darf ich dazu nachfragen, wie du die Unterstützung durch das Top Management erlebst?

Ich erlebe ein sehr starkes Commitment, das ist eine wesentliche Säule für unser Programm. Unser Top Management ist überzeugt, dass Diversity der Schlüssel zu besseren Produkten, nachhaltigen Innovationen und einem gesunden Arbeitsumfeld ist. Diversity sichert den Erfolg unseres Unternehmens für die Zukunft ab. Es genügt allerdings nicht, wenn nur der Vorstand mit im Boot ist. Wir setzen uns stark damit auseinander, das gesamte Management auf allen Führungsebenen gut abzuholen. Es braucht eine breite Basis, die überzeugt ist und das Programm mitträgt. Es sind genau diese Personen, die Recruiting-Entscheidungen treffen und Mitarbeiter*innen fördern.

Erzählst du mir, wie ihr das Projekt bzw. das Gleichstellungsprogramm aufgesetzt habt?

Ja, sehr gern. Wir haben im Projektteam und in Gesprächen mit unseren Kolleg*innen so viele Ideen für unser Gleichstellungsprogramm entwickelt, dass wir beschlossen haben, das Projekt komplett intern aufzusetzen und uns nur punktuell externe Expertise zu holen. Wir haben den Austausch mit anderen Unternehmen gesucht, die schon DEI-Maßnahmen ausgerollt hatten. So haben wir ein Programm mit mehreren Schwerpunkten zusammengestellt, das wir nach und nach umsetzen bzw. das dynamisch immer weiterentwickelt wird. Zu Beginn haben wir einen Fokus auf die Gender-Thematik gewählt, da wir hier schon eine Reihe von Maßnahmen in der Pipeline hatten. Eines unserer wichtigsten Ziele ist, über die kommenden Jahrzehnte eine echte Gender-Balance zu erreichen – d. h. vom Recruiting über technische Berufsfelder bis hin zu Führungspositionen. Ein weiterer Meilenstein ist Chancengleichheit: Wir machen uns intensiv Gedanken, wie wir Rahmenbedingungen so gestalten können, dass niemand diskriminiert wird und alle die gleichen Chancen bekommen. Das hängt für uns sehr stark mit der Unternehmenskultur zusammen.

Diesen Aspekt finde ich sehr spannend, da würde ich gern nachhaken. Wo siehst du die Verbindung von DEI und Unternehmenskultur?

Wir haben gesehen, dass unser Programm kulturverändernd ist. Wir investieren viel Energie in Bewusstseinsbildung und müssen viel Überzeugungsarbeit leisten, um das Commitment zu den einzelnen Initiativen über die gesamte Organisation hinweg zu fördern. Zum Thema gendergerechte Sprache hatten wir z. B. viele Diskussionen. Natürlich gibt es wie überall auch Gegner*innen und Skeptiker*innen. Mit kleinen und großen Maßnahmen schaffen wir es, das Thema gut in unserer Unternehmenskultur zu verankern. Unser Programm hat eine sehr schöne Dynamik bekommen und begeistert viele Mitarbeiter*innen auf allen Unternehmensebenen. Es gibt laufend neue Ideen für Maßnahmen von Mitarbeiter*innen, die das Projekt unterstützen wollen. Unangebrachte Witze oder Sexismus haben in unserer Organisation einfach keinen Platz. Allen Führungskräften und Mitarbeiter*innen ist klar, welches Verhalten von ihnen erwartet wird. Dadurch verändert sich das Miteinander.

Du hast angesprochen, dass ihr zu Beginn die Genderthematik aufgegriffen habt. Wie habt ihr euch diesem Schwerpunkt genähert?

Wir haben uns als Salzburg AG mit dem Programm ganz klar dazu positioniert, dass wir Frauen fördern und mehr Frauen in unserem Unternehmen beschäftigen wollen. Am Weltfrauentag 2021 haben wir unsere Ziele und Initiativen präsentiert und seither beeindruckende Erfolge erzielt. Dazu gehört z. B., dass wir den Anteil weiblicher Führungskräfte von 5,4 % auf 10,8 % verdoppeln konnten. Wir haben uns nach außen hin als Vorreiterunternehmen positioniert und sind dadurch bei diversen Zielgruppen viel präsenter geworden. Zu unseren Handlungsfeldern zählen ein attraktives Arbeitsumfeld mit Schwerpunkt Familien und Frauen, die gezielte Personalentwicklung für Frauen, Frauen in der Technik und eine starke Vernetzung der Frauen in unserer Organisation. An diese Handlungsfelder ist auch das Monitoring der Maßnahmen angeschlossen. Beispiele für einzelne Maßnahmen sind flexible Arbeitszeiten, mehrere Karenzmodelle für Mütter und Väter, Kinder- und Ferienbetreuung oder Shared Leadership bzw. Führen in Teilzeit.

 

„Wir haben ganz klar das Ziel definiert, dass wir Gender Balance erreichen wollen – und das mit erhöhter Geschwindigkeit”.

 

Ich habe aufgrund meiner Interviews schon öfter überlegt, ob Frauenförderung und Frauennetzwerke eine gute Möglichkeit sind, um Diversity insgesamt anzustoßen – oder ob dadurch Kritiker*innen auf den Plan gerufen werden, die eine Diskriminierung der Männer sehen. Hattet ihr diese Diskussion in eurer Projektgruppe?

Ich vergleiche das gern mit der Funktion von Quoten oder Zielvorgaben. Wir haben ganz klar das Ziel definiert, dass wir Gender Balance erreichen wollen – und das mit erhöhter Geschwindigkeit. Wir wollen uns nicht darauf verlassen, dass sich dieses Gleichgewicht irgendwann von selbst einstellt. Uns ist bewusst, dass wir durch die definierten Maßnahmen manche Männer irritieren, aber solange wir diese Balance nicht haben, müssen wir Frauen eine größere Bühne geben. Von vielen unserer Maßnahmen profitieren auch Männer wie beispielsweise von Talent Management oder flexiblen Teilzeitmöglichkeiten. Viele Männer in unserem Unternehmen unterstützen unsere Frauenförderung, weil sie sich z. B. selbst eine partnerschaftliche Kinderbetreuung wünschen und die Maßnahmen auch für sie neue Möglichkeiten eröffnen.

Ich genieße es sehr, dass du so viele Erfahrungen mit mir teilst und ich neue Aspekte am Thema entdecke. Ich habe generell den Eindruck, dass zur DEI-Thematik sehr viel Austausch und Netzwerken angeboten wird. Da geht es nicht um Wettbewerb, sondern um ein starkes Miteinander. Wie erlebst du das?

Ich erlebe das genauso wie du. Diversity hat einen echten Impact und kann zu einer gesellschaftlichen Wandlung beitragen. Das Thema spielt auf einer viel größeren Ebene als in einzelnen Unternehmen. Wo sonst auf Wettbewerbsvorteile gesetzt wird, arbeiten hier wirklich alle gemeinsam an einer nachhaltigen Veränderung. Als wir mit unserem Programm begonnen haben, war der Support von anderen Organisationen enorm. Erfahrungen wurden geteilt, Zahlen zur Verfügung gestellt – und meistens sind diejenigen, die DEI treiben, wirklich überzeugt und leidenschaftlich an der Arbeit. Wir sind motiviert, wenn wir andere unterstützen und auf ihrer Reise begleiten können. Uns treibt das große Ziel, durch DEI eine bessere Zukunft zu gestalten.

www.salzburg-ag.at

Foto: Marco Riebler

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