Im Rahmen der feierlichen Minerva Awards 2025 (alles dazu und zu den Gewinnerinnen lesen Sie HIER) wurden zum vierten Mal herausragende Persönlichkeiten und Initiativen für ihren Einsatz im Bereich Gleichstellung und Diversität geehrt. Was einst als österreichischer Gender Parity Award begann, hat sich zu einer internationalen Bühne für mutige Stimmen und innovative Vorbilder entwickelt – kuratiert von sheconomy und WEconomy.
Im Rahmen der Minerva-Verleihung wurden auch die Gewinner:innen der WEconomy Diversity Leaders Challenge 2025 ausgezeichnet. Die Auszeichnung würdigt Unternehmen, die Diversität nicht nur als Konzept, sondern als aktiven Bestandteil ihrer Unternehmenskultur leben.
Vielfalt ist kein Buzzword
Mit der Diversity Leaders Challenge setzt WEconomy ein starkes Zeichen für zukunftsweisende Unternehmenskultur – und zeigt, wie Wandel konkret aussehen kann. “Diese Unternehmen zeigen: Vielfalt ist kein Buzzword – sie ist Fundament einer innovativen Wirtschaft”, so Jury-Mitglied Ali Mahlodji in seiner Laudatio.
Die Preisträger
Beste DEI-Initiative < 500 MA (Partner: kununu):
Tietoevry Austria (Gewinner)
IT:U, RAG Austria
Beste DEI-Initiative > 500 MA (Partner: PwC)
Hilti Austria GmbH (Gewinner)
Wiener Stadtwerke, ÖBB Holding
Sonderkategorie „Mut & Impact“ (Laudatio: Ali Mahlodji)
Wiener Städtische Versicherung (Gewinner)
GSK GlaxoSmithKline
Teach for Austria
McDonald’s Österreich
Page Group Deutschland
Sichtbarkeit braucht Bühne – und starke Partner*innen
Ein besonderer Dank gilt allen Partner*innen der Minerva Awards 2025: Coca-Cola HBC Österreich, Uniqa, Verbund, bank99, A1, kununu, PwC, Boltenstern, Wearr, Wristbanditz und dem Weingut Nittnaus.
TV-Ausstrahlung
Die Gala wurde von ORF und Puls 4 aufgezeichnet und am 28. Mai 2025 um 23:35 Uhr auf ORF III ausgestrahlt. Anschließend steht sie auf Joyn und ORF on zum Abruf bereit.
Die Diversity Leaders Challenge 2025 geht in ihre entscheidende Phase. In der finalen Jury-Sitzung wurde deutlich: Die eingereichten Projekte setzen neue Maßstäbe für gelebte Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion in der österreichischen Arbeitswelt. Die Vorauswahl für die Minerva Gala steht fest – und mit ihr jene Projekte, die sich auf eine Bühne der besonderen Art freuen dürfen.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, wie stark das Engagement von Unternehmen und Institutionen im Bereich Diversity, Equity & Inclusion (DEI) in den letzten Jahren gewachsen ist. Die nominierten Initiativen kommen aus unterschiedlichsten Branchen und Unternehmensgrößen – vom mittelständischen Industriebetrieb bis zur internationalen Konzernstruktur – und vereinen kreative Ansätze mit strategischem Tiefgang.
Die Projekte im Detail
In der Kategorie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) überzeugte etwa Tietoevry mit dem Projekt „Vielfalt in jedem Ton – Neurodiversität als Schlüssel zur Innovation“. Die Initiative macht deutlich, wie Unternehmen von der Vielfalt neurodivergenter Perspektiven profitieren können – nicht nur in der Unternehmenskultur, sondern auch im Innovationsprozess.
Die IT:U Interdisciplinary Transformation University Austria wurde für ihr umfassendes Barrierefreiheitskonzept „Accessible University“ als Vorreiterin für Inklusion im Hochschulbereich hervorgehoben.
Auch die RAG Austria AG konnte mit ihrer „RAG Family Initiative“ punkten: Das Projekt stärkt gezielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und unterstreicht die Relevanz familienfreundlicher Strukturen im Unternehmensalltag.
In der Kategorie der Großunternehmen zählen ebenfalls starke Programme zu den nominierten Top-Initiativen. Hilti Austria zeigte mit „DEI als kontinuierliche Reise“, wie sich Vielfalt und Gleichstellung konsequent und nachhaltig in der Unternehmenskultur verankern lassen.
Die Wiener Stadtwerke Gruppe setzt mit ihrem Projekt „Respekt für Grenzen“ auf Null Toleranz bei sexueller Belästigung, Mobbing und weiteren Diskriminierungsformen.
2025 wurde außerdem eine neue Sonderkategorie eingeführt: „Mut & Impact“. Sie ersetzt die bisherige Auszeichnung „DEI Champion“ und würdigt Projekte, die besonders mutig, wirkungsvoll oder öffentlichkeitsstark neue Wege beschreiten. In dieser Kategorie zählen unter anderem die Wiener Städtische mit ihrem klaren Anti-Diskriminierungs-Statement, GSK mit dem Gleichstellungsprojekt „Mind the Gap“, sowie Teach for Austria mit ihrer „Community of Practice – How to DEI in Education“ zu den Nominierten.
Alle nominierten Projekte qualifizieren sich für die nächste Etappe: die feierliche Verleihung im Rahmen der Minerva Gala 2025. Im Vorfeld der Gala erhalten alle 32 Unternehmen, die es auf die Shortlist geschafft haben, ihre Zertifikate. Die Minerva selbst präsentiert sich heuer in neuem Gewand – mit einer exklusiveren Location im Wiener Rathaus, einem hochkarätigen Gästekreis und erweitertem thematischen Fokus.
Minerva Gala
Seit vier Jahren zeichnet Minerva Frauen in Führungsrollen und Unternehmen aus, die durch herausragende Initiativen in den Bereichen Leadership, Diversity, Innovation und Förderung von Frauen sichtbar werden. In Kooperation mit starken Wirtschaftspartnern und getragen vom sheconomy-Medienökosystem bietet die Gala eine Bühne für Impact – und macht deutlich, dass Female Power und Diversity längst wirtschaftliche Schlüsselthemen sind.
Wenn von Diversität und Inklusion die Rede ist, liegt der Fokus zumeist auf Geschlecht, Alter, Hautfarbe, ethnischer Herkunft, Religion, sexueller Orientierung sowie körperlichen und geistigen Behinderungen. Das ist schon mal ein guter Anfang, aber die Reise ist noch nicht zu Ende. Denn die Liste der Gründe, aus denen Menschen in der Arbeitswelt Diskriminierung erfahren, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als deutlich länger. Auch wenn moderne Unternehmen mittlerweile nicht müde werden, zu beteuern, wie wichtig Vielfalt für den Erfolg ist: Wenn eine marginalisierte Gruppe keine verwertbaren Merkmale aufweist, wird sie in den Diversitätsbemühungen häufig ausgespart. Werbeplakate, auf denen gezeigt wird, wie liebevoll der Arbeitgeber mit drogensüchtigen Lehrlingen umgeht, sind ebenso Mangelware wie Stellenanzeigen, in denen chronisch Kranke, Menschen mit psychischen Problemen, Analphabeten oder Vorbestrafte ausdrücklich willkommen geheißen werden.
Auch das soziale Milieu und die finanzielle Situation, die oft für Ausgrenzung aus dem Berufsleben sorgen – Stichwort: Obdachlose – werden selten in Diversitäts-Workshops thematisiert. Und dass laut zahlreicher Studien schönere Menschen immer noch die besseren Jobchancen haben, nimmt die Mehrheit ohnehin als gottgegeben hin. So gilt etwa ein hoher Body-Mass-Index nach wie vor als Karrierebedrohung – besonders für Frauen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Experiment der FH Burgenland, das mithilfe modernster Emotionsmessungen und Eye-Tracking-Methoden durchgeführt wurde. Studienautorin Verdrana Vasicek konnte dabei beobachten, dass übergewichtige Bewerberinnen bei Personalverantwortlichen die negativsten Gesichtsausdrücke auslösten.
Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2014 hat gezeigt, dass Frauen mit einem höheren BMI um bis zu zwölf Prozent weniger verdienen als ihre schlankeren Kolleginnen und sich das Körpergewicht auch auf die Chancen auswirkt, überhaupt eingestellt zu werden. In Großbritannien kam vor Kurzem ein Vorschlag aus der Regierung, übergewichtigen Arbeitslosen eine Abnehmspritze zu verpassen, damit sie rascher wieder einen Job finden. Eine Methode, die nicht nur bei Gesundheitsexpert:innen für Kopfschütteln sorgt. Dass dickere Menschen abnehmen müssen, um ihren Beruf ausüben zu dürfen, anstatt dass sich die Arbeitswelt ändert – das kann eigentlich nur ein schlechter Scherz sein. Bevor jetzt aber irgendein „witziger“ alter weißer Mann behauptet, dass wir gern eine Quote für „dicke, hässliche Frauen“ hätten: Nein, wir hätten gern eine verantwortungsvolle Gesellschaft, in der jeder Mensch automatisch gleich viel wert ist. Und dafür brauchen wir Rekrutierer und Führungspersonen, die aktiv ihre Vorurteile reflektieren – damit Diversität nicht nur als Marketingstrategie existiert, sondern als gelebte Realität.
Am 19. März 2025 drehte sich beim virtuellen weconomy lead&learn-Format alles um die Frage: Wie können Unternehmen gezielt bessere Arbeitsbedingungen für Frauen schaffen und sich als attraktive Arbeitgeber positionieren? Führende Expert:innen aus der Wirtschaft, Datenanalyse und internationalen Organisationen teilten exklusive Insights, praxisnahe Handlungsempfehlungen und Best Practice Beispiele aus verschiedenen Branchen. Rund 30 Unternehmen nahmen an der interaktiven Session teil.
Datenbasierte Einblicke: Was wünschen sich Frauen im Job?
Medina Delic von kununu machte deutlich, dass Frauen den Arbeitsplatz oft anders erleben als Männer, nämlich weniger inklusiv und fördernd. „Das ist auch kein Zufall. Die Regeln, nach denen unsere Arbeitswelt bis heute funktioniert, wurde von einer bestimmten Gruppe gemacht. Und diese Gruppe war über Jahrzehnte vor allem männlich”, so Delic. Unternehmen sollten deshalb nicht nur Hochglanz-Statements veröffentlichen, sondern durch gelebte Unternehmenskultur überzeugen: “Auf Kununu wird sichtbar, ob diese schönen Worte auch gelebte Realität sind. Denn wenn ein Unternehmen sich wirklich als Top Arbeitgeber zeigen möchte, dann reicht es eben nicht, die Schokoladenseite zu zeigen, die Hochglanzfassaden. Es kommt wirklich darauf an, wie diese Werte im Alltag erlebt werden.” Genau deshalb wurde die Initiative “Top Female Workplace” von sheconomy und kununu gestartet. Diese soll Arbeitgeber auszeichnen, die sich besonders für Chancengleichheit und ein faires Arbeitsumfeld für Frauen engagieren.
Handlungsbedarf und Lösungen
Lynn Neubert vom UN Global Compact Austria betonte, dass Gender Equality kein Nice-to-have sei: „Flexible Arbeitsmodelle, faire Bezahlung und Karriereperspektiven sind keine nice to have, sondern wirklich Schlüssel zu Innovation, Wachstum und Erfolg.“ Sie hob hervor, wie wichtig Programme wie Mentoring, transparente Gehaltsstrukturen und der Ausbau mentaler Gesundheitsangebote seien. Besonders betonte sie die Rolle einer inklusiven Unternehmenskultur: “Das bedeutet eine Atmosphäre, in der Diskriminierung und Sexismus keinen Platz haben. Dazu braucht es eine klare null Toleranz Politik gegenüber Diskriminierung, damit mobbing, Belästigung oder ungleiche Behandlung konsequent sanktioniert werden. Nicht nur auf dem Papier, sondern auch in gelebter Praxis.”
Best Practices
Alzbeta Takacova, HR-Leiterin von Coca-Cola HBC Österreich, präsentierte konkrete Maßnahmen zur Förderung von Frauen in der Produktion. Darunter sind Flexibilisierung von Arbeitsmodellen, Sabbaticals, Jobsharing sowie Führen in Teilzeit: “Super wichtig ist, dass wenn man Führen in Teilzeit einführen und unterstützen möchte, dass das Unternehmen mitmacht, dass die Person sehr strukturiert und organisiert ist und auch sehr stark die eigenen Grenzen absteckt, aber doch eine gewisse Flexibilität mitbringt.” Besonders betonte sie die Bedeutung von Diversity-KPIs, die regelmäßig erhoben und dem Management berichtet werden sollten.
Maria Ziller von der Salzburg AG stellte das neue Karenzmanagement ihres Unternehmens vor: Sie berichtet darüber, dass das Angebot, schon vor der Geburt über die Rückkehr ins Unternehmen zu sprechen, eine neue familienfreundliche Unternehmenskultur geschaffen hat. Die meisten Eltern möchten schon vor der Geburt gemeinsam konkrete Lösungen finden, wie laufende Themen gut weitergeführt und Übergangszeiten überbrückt werden können. Das Angebot wird von Mitarbeitenden bereits sehr aktiv angenommen. Sie selbst profitiert ebenfalls von dieser Kultur: “Jetzt bin ich selber Mutter geworden und ich bin nach acht Monaten wieder in den Job zurückgekehrt und nach dem Mutterschutz habe ich wieder von zu Hause aus geringfügig gearbeitet.”
Auch Gabriele Andratschke, Head of Group Human Resources bei GrECo Group, hat im Zuge der Masterclass über die Maßnahmen des international agierenden Unternehmens berichtet, die das Ziel verfolgen, Vielfalt unternehmensweit zu verankern und kulturelle Unterschiede als Stärke zu nutzen. Es wurde die Initiative „Women’s Voices“ ins Leben gerufen: eine interne und externe Kampagne, in der Mitarbeiterinnen ihre Geschichten erzählen – etwa über ihren Wiedereinstieg nach der Karenz oder ihren beruflichen Alltag in männerdominierten Meetings. “Jeder einzelne Schritt bringt uns näher. Darum glaube ich, haben wir kleinere Initiativen, wo wir Quick Wins erzielen können, indem wir einfach sichtbar machen, was Frauen bei uns tun”, so Andratschke.
Fazit: Chancengleichheit gestalten
Die Session zeigte klar: Unternehmen, die Frauen gezielt fördern, schaffen nicht nur bessere Arbeitsbedingungen, sondern erhöhen auch Innovationskraft und wirtschaftlichen Erfolg. Deshalb auch der Appell: Chancengleichheit aktiv mitgestalten – mit konkreten Maßnahmen, messbaren Erfolgen und einer Unternehmenskultur, die Vielfalt lebt.
Die Weconomy Academy
2025 hat die Weconomy Academy gestartet und hebt Lead&Learn auf das nächste Level. Ein zentrales neues Format sind die virtuellen Masterclasses, die quartalsweise stattfinden. Sie bieten Raum für den Austausch zu aktuellen DEI-Themen, spannenden Impulsen und erfolgreichen Best Practice Beispielen. Begleitet werden die Masterclasses von renommierten Expert:innen aus der WEconomy Jury, die ihre Expertise und Erfahrung einbringen.
Das Bild vom jungen Start-up-Genie, das mit einer bahnbrechenden Idee den Markt revolutioniert, hält sich nach wie vor hartnäckig. Doch die Realität zeigt ein anderes Bild: Das durchschnittliche Alter von Gründer:innen liegt bei rund 32 Jahren – und mit der steigenden Erfahrung der Mitarbeiter:innen erhöhen sich die Erfolgschancen. Studien zeigen, dass Unternehmer:innen mit mehreren Jahren Branchenerfahrung ein deutlich höheres Wachstumspotenzial für ihr Start-up generieren.
Alter als Wettbewerbsvorteil
Die Annahme, dass vor allem junge Gründer:innen Erfolg haben, kann durch Zahlen widerlegt werden. Eine Untersuchung zeigt, dass Start-ups, die von Personen mit mindestens drei Jahren Branchenerfahrung gegründet wurden, eine um 85 Prozent höhere Erfolgschance haben. Besonders in komplexen Industrien wie der Biotechnologie oder dem Maschinenbau zeigt sich, dass Expertise und ein etabliertes Netzwerk entscheidend für den Erfolg von neu gegründeten Unternehmen sind.
Erfolgreiche Unternehmen setzen zudem auf altersgemischte Teams: Während jüngere Teammitglieder vermehrt Innovationen vorantreiben, bringen erfahrene Gründer:innen meist strategische Weitsicht und Krisenbewältigungskompetenz mit.
Innovativer und wirtschaftlich erfolgreicher durch diverse Teams
Die Zusammensetzung des Gründer:innenteams spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle, die jedoch oft unterschätzt wird. Start-ups mit divers aufgestellten Teams sind nicht nur kreativer, sondern wirtschaftlich erfolgreicher. Laut einer Analyse von McKinsey sind Unternehmen mit einem kulturell vielfältigen Führungsteam 25 Prozent häufiger überdurchschnittlich profitabel als weniger diverse Wettbewerber. (McKinsey, 2019).
Auch aws Geschäftsfeldleiterin IDE Tanja Spennlingwimmer beobachtet diese Vorteile in ihrem Arbeitsfeld: “Diversität ist kein Nice-to-have, sondern ein echter Erfolgsfaktor – das sehe ich immer wieder in meiner Arbeit mit Start-ups, Investor:innen und Innovationsprojekten. Unterschiedliche Perspektiven bringen bessere Entscheidungen, mehr Kreativität und letztlich nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.”
Trotz dieser nachgewiesenen Vorteile bleibt die Start-up-Szene bis heute weitgehend homogen. Beispielsweise hatten 2024 nur 3 Prozent der finanzierungsstarken österreichischen Start-ups ein rein weibliches Gründungsteam – eine leichte Steigerung zum Vorjahr, die jedoch den anhaltenden Gender Gap in der Start-up-Finanzierung deutlich macht. Mit einem Anteil von 24 Prozent der finanzierten österreichischen Start-ups, in denen 2024 Frauen im Gründungsteam vertreten waren, wurde zwar ein Anstieg gegenüber 17 Prozent im Vorjahr verzeichnet – das weist auf einen beginnenden Bewusstseinswandel hin, verdeutlicht aber zugleich, wie viel ungenutztes Potenzial weiterhin besteht. Dies zeigen die Ergebnisse des Female Start-up Funding Index 2024. Auch Spennlingwimmer betont: “Wir sehen nach wie vor strukturelle Hürden, gerade wenn es um Investments geht. Frauen und diverse Teams bekommen seltener Kapital, obwohl Studien zeigen, dass sie oft stabilere und langfristig erfolgreichere Unternehmen aufbauen.”
Ein Überblick zum Status quo:
Europäische Start-ups werden zu 85 Prozent von weißen Männern gegründet (Camus, 2023).
Nur 11 Prozent der österreichischen Start-up-Gründer:innen sind Frauen (EY, 2024).
Lediglich 1,9 Prozent der globalen Risikokapitalmittel gehen an Gründerinnen, für Schwarze oder lateinamerikanische Unternehmer:innen sind es nur 0,1 Prozent (McKinsey, 2023).
Vorteile nutzen – Maßnahmen für Unternehmen
Multikulturelle Teams bringen klare Wettbewerbsvorteile mit sich: Sie verstehen unterschiedliche Kundengruppen besser, haben einen direkteren Zugang zu internationalen Märkten und entwickeln vielfältigere Lösungen. Um diese Vorteile nutzen zu können, muss die Vielfalt in Start-ups aktiv gefördert werden. Konkrete Maßnahmen, die Unternehmer:innen ergreifen können, sind:
Gezieltes Recruiting: Vielfältige Teams müssen bewusst aufgebaut werden, dies kann durch inklusiv formulierte Stellenanzeigen initiiert werden.
Eine inklusive Unternehmenskultur: Netzwerke und Mentoring-Programme für unterrepräsentierte Gruppen können Chancengleichheit fördern, Karrieremöglichkeiten erweitern und langfristig für mehr Diversität in Führungspositionen sorgen.
Bessere Kapitalverteilung: Durch speziell ausgerichtete Förderungen und Investitionen können diverse Gründer:innenteams strukturelle Finanzierungsnachteile überwinden und ihr Innovationspotenzial besser nutzen.
Diverse Gestaltung und inklusive Finanzierung
Gründungserfolg ist kein Zufall, er ist das Ergebnis einer gut durchdachten Teamstruktur. Unternehmen, die auf eine Mischung aus Branchenerfahrung, Innovationsgeist und vielfältigen Perspektiven setzen, sind langfristig erfolgreicher. Eine diversere und zugänglichere Gestaltung von Finanzierungs- und Förderstrukturen ist jedoch ein entscheidender Faktor, um das Potenzial von Start-ups vollständig zu nutzen.
Tanja Spennlingwimmer unterstreicht die Vorteile von Diversität in Start-ups: “Als Förderbank des Bundes sind wir uns bewusst, dass es entscheidend ist, aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um Chancengleichheit und Diversität zu fördern. Dies erreichen wir durch den Ausbau von Netzwerken, maßgeschneiderte Förderprogramme und durch einen grundlegenden Wandel in den Denkweisen. Diversität bedeutet für uns nicht nur, über Chancengleichheit zu sprechen, sondern diese auch konkret in unseren Finanzierungsentscheidungen, der Zusammensetzung von Teams und in der Art und Weise, wie wir Vertrauen schenken, umzusetzen. Veränderung passiert nicht von selbst – aber durch kontinuierliches Engagement können wir diese aktiv gestalten und vorantreiben.“
Quellen: Azoulay, P., Jones, B., Kim, J. D., & Miranda, J. (2018). Age and High-Growth Entrepreneurship. National Bureau of Economic Research.; McKinsey & Company (2019). Diversity Wins: How Inclusion Matters.; EY Start-up-Barometer Österreich (2024).; Camus, J. (2023). State of Diversity in European Startups.; McKinsey & Company (2023). Diversity in Venture Capital Report.
Wie freundlich würde die Welt aussehen, wenn nur das Böse geschähe, das die Bösen tun“, hat der bayerische Schriftsteller Hans Krailsheimer einmal geschrieben. Tatsächlich sind auch gutmeinende Menschen keinesfalls davor gefeit, andere zu verletzen. Im Gegenteil: Oft ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen das passiert, sogar erhöht. Nehmen wir zum Beispiel eine Bereichsleiterin, die Wert auf Diversität in ihrem Team legt. Sie wird häufiger in die Verlegenheit kommen, in eines der zahlreichen Fettnäpfchen zu steigen, mit denen ein diverses Umfeld gepflastert ist, als ein männlicher Arbeitgeber, der aus schließlich weiße Männer beschäftigt.
Verletzende Gewohnheiten
Vor allem im Umgang mit marginalisierten Gruppen kommen versehentliche Diskriminierungen im Berufsalltag immer wieder vor. Etwa, wenn man die nicht-weiße Praktikantin fragt, woher sie kommt. Und wenn sie antwortet, dass sie aus Deutschland ist, nochmal nachhakt und wissen will, woher sie ursprünglich kommt. Obwohl man eigentlich nur freundliches Interesse zeigen will, legt man der jungen Frau damit nahe, dass sie als Nichtweiße keine „richtige“ Deutsche sein kann. Oder, wenn man der Kollegin, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt und seit der Geburt ihres Babys im Dauerstress ist, Mut machen möchte und sagt: „Es dauert, bis sich der Alltag mit Kind eingespielt hat. Das wird bei euch nicht anders sein als in einer normalen Familie“.
Das Problem mit der gutgemeinten Diskriminierung ist, dass privilegierte Menschen sie oft gar nicht wahrnehmen. Für eine reich verheiratete Unternehmertochter, die einer alleinerziehenden Halbtagssekretärin aus ärmlichen Verhältnissen geduldig erklärt, wie sie besser mit ihrem Geld haushalten könnte, ist vermutlich völlig rätselhaft, warum sie für ihren guten Rat eine patzige Antwort kassiert. Schließlich wollte sie doch nur helfen. Dass sie a) gerade einer anderen Person das Gefühl gibt, sie wäre völlig lebensunfähig, b) selbst überhaupt keine Ahnung hat, wie schwierig es ist, mit einem kleinen Einkommen über die Runden zu kommen und c) so tut, als wäre es völlig okay, dass manche Menschen sich nur jedes zweite Jahr einen Urlaub leisten können, während man selbst alle drei Monate eine teure Reise macht, ist ihr vielleicht gar nicht bewusst.
Ähnliches gilt für empathiewillige Weiße, die Schwarzen erzählen, dass sie selber wegen ihrer Sommersprossen als Kind in der Schule gehänselt wurden – und deshalb genau wissen, wie es sich anfühlt, wenn man wegen seiner Hautfarbe diskriminiert wird. Oder für chronisch Gesunde, die chronisch Kranke darüber aufklären wollen, dass die meisten Erkrankungen psychische Ursachen haben. Oder für Menschen ohne Behinderung die Menschen mit Behinderung mit Mitleid überschütten – anstatt sie einfach wie vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zu behandeln.
Erst denken, dann sprechen
Diskriminierung geschieht oft aus Gedankenlosigkeit, Unwissenheit oder Selbstüberschätzung. Wer sie vermeiden will, muss daher drei Dinge tun: sich Gedanken machen, Wissen sammeln und vom hohen Ross heruntersteigen – und zwar genau in umgekehrter Reihenfolge. Erst, wenn man sich eingesteht, dass man als privilegierte Person nicht automatisch weiß, was für benachteiligte Menschen das Beste ist, wird man bereit sein, sich weiterzubilden. Und erst, wenn man sich mit dem Thema befasst hat und eine Ahnung davon bekommt, welche Gefühle man bei anderen auslöst, kann man sich konstruktiv überlegen, was man besser machen kann.
Die Wortwahl in Gesprächen spielt dabei eine große Rolle. Gerade Menschen, die schon häufig verbalen Angriffen von weniger wohlmeinenden Leuten ausgesetzt waren, die sie offen attackiert oder sich über sie lustig gemacht haben, sind besonders empfindlich auf verletzende Formulierungen. Das ist so, als würde man in einer offenen Wunde herumbohren. Wie man herausfindet, welche Formulierungen das sind? Zum Beispiel, indem man sich auf aau.at, der Website der Uni Klagenfurt, die spannende Broschüre „Geschlechter- und diversitätssensibles Sprachhandeln – wie wir über uns und andere sprechen“ herunter lädt und sich Zeit nimmt, sie genau zu lesen. Dabei erfährt man unter anderem, warum man nicht „behinderte Menschen“ sagen soll, sondern „Menschen mit Behinderung“ – weil nämlich die oder der Betroffene nicht in seinem Mensch sein behindert ist. Oder dass es nicht „Migranten“, sondern „Menschen mit Migrationserfahrung“ heißt. Oder dass man nicht einfach aufgrund des Aussehens entscheiden sollte, welche Pronomen man für eine Person verwendet, sondern besser jene wählt, die dieser Mensch sich wünscht – das können neben „er“ oder „sie“ auch neutrale Pronomen wie „xier“ oder „they/dey“ sein.
Begrüßenswert: Diverse Teams bereichern das Unternehmen. Damit sich alle willkommen fühlen, gilt es allerdings, den eigenen Sprachgebrauch zu hinterfragen.
Wer sich noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchte, kann auch ein Workshop besuchen, etwa bei fairlanguage.com oder bei abzaustria.at. Zusätzlich hinaus hilft es, in Gesprächen aufmerksamer zu sein und auf die Reaktionen anderer Menschen zu achten – an denen lässt sich nämlich oft ablesen, ob beim eigenen Verhalten noch Verbesserungsbedarf besteht. Sollte das der Fall sein, gebietet es die Höflichkeit, sich zu entschuldigen. Aber bitte nicht damit, dass man es „doch nur gut gemeint hat“. Denn das verschlimmert die Situation in den meisten Fällen nur. Eine weit akzeptablere Rechtfertigung wäre, dass man gerade erst dabei ist, sich eine diskriminierungsfreie Sprache anzugewöhnen und noch Fehler macht. Solange man aus ihnen lernt, stehen die Chancen gut, dass die (Arbeits-)Welt in Zukunft für alle Menschen ein bisschen freundlicher aussehen könnte als bisher.
Die Entwaffnung der Wörter
Woher weiß ich, ob ein Wort rassistisch oder diskriminierend ist?
1. Entstehungsgeschichte des Begriffs recherchieren, bewusstmachen. Was/wer wurde damit bezeichnet, wer hat ihn benutzt und mit welchen Wertungen?
2. In welchen Wortkombinationen, Phrasen, Redewendungen, Situationen kommt dieser Begriff vor?
3. Welche spontanen Assoziationen habe ich mit dem Begriff / den Wörtern / Sätzen?
4. Kann ich das Wort z. B. auf europäische Kontexte übertragen? Wie würde ich den Begriff auf mich bezogen empfinden?
5. Ist der Begriff symmetrisch (auf Augenhöhe) oder asymmetrisch (be-/abwertend) verwendet? Hat er ein Gegenstück oder wird er einseitig verwendet? Würde man z. B. Deutschland als Kartoffelrepublik bezeichnen?
Quelle: „Geschlechter- und diversitätssensibles Sprachhandeln – Wie wir über uns und andere sprechen“ (Universitätszentrum für Frauen*- und Geschlechterstudien der Universität Klagenfurt), von uneinheitlich, Maria Mucke, Anna Adlwarth, Mareen Hauke.
In ihnen wird vorrangig handwerkliche Arbeit verrichtet: Blue-Collar-Unternehmen. Darunter sind Betriebe zu verstehen, die vorrangig Handwerker:innen, Techniker:innen, Produktionsmitarbeitende beschäftigen. In großen Industrieunternehmen sind die Mitarbeitenden nach wie vor vorrangig männlich. Doch die gesellschaftliche Entwicklung macht auch vor Blue-Collar-Betrieben nicht halt – und Frauen, aber auch Menschen mit den verschiedensten ethnischen Hintergründen, spielen heute eine relevante Rolle in der Belegschaft. Die Konsequenz: zunehmend mehr Diversity-Initiativen.
Neue Zielgruppen erschließen
Gerade Themen wie multikulturelle Zusammensetzungen von Teams, soziale Herkunft der Beschäftigten oder Altersdiskriminierung gibt es in Blue Collar Unternehmen häufig, sagt Peter Rieder, Gründer von Diversity Think Tank Consulting. Seine Firma begleitet Unternehmen bei der Erarbeitung und Umsetzung von Diversity-Management-Strategien und bieten Trainings, Seminare und E-Learnings zu Diversity an – von Gleichbehandlung über die Vermeidung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und Generationenthemen bis zu Unconscious Bias und Inclusive Leadership. „Für Betriebe – auch in den Blue-Collar-Bereichen – ist es schwer geworden, ausreichend Personal zu finden, weshalb Diversity-Themen und die Förderung von lebenswerten Arbeitsplätzen eine größere Rolle spielt“, so Peter Rieder.
Karl-Heinz Strauss, PORR-CEO
“Es zeigt sich immer wieder, dass Baustellen, auf denen Männer und Frauen arbeiten und Junge und Ältere, besonders gut funktionieren.”
Lange wurde Diversität vor allem mit Frauenförderung und Geschlechtergleichstellung assoziiert, betont Susanne Hamscha, Managing Partner der auf Diversity spezialisierten Beratungsagentur factor-D. Doch Diversity ist nicht nur ein „Gerechtigkeitsthema“, sondern bringt zahlreiche ökonomische Vorteile mit sich, sagt sie. „Dieses Bewusstsein wächst in Blue-Collar-Unternehmen, die sich auch durch EU-Verordnungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) dazu gezwungen sehen, sich mit Diversity auseinanderzusetzen. Hinzu kommt der Arbeitskräftemangel, der dazu führt, dass man neue Zielgruppen erschließen will.
Regelmäßige Equal Pay-Analysen
Damit die Bemühungen erfolgreich sind, muss die Geschäftsführung kommunizieren können, warum die Beschäftigung mit Diversity relevant ist, sich selbst mit diesem Thema auseinandersetzen sowie Ressourcen zur Verfügung stellen“, gibt Susanne Hamscha zu bedenken. In der Kompetenzentwicklung von Führungskräften sollte das Führen von diversen Teams durch Sensibilisierungsmaßnahmen berücksichtigt werden „Initiativen für Mitarbeitende müssen Arbeitsbedingungen wie Schichtbetrieb berücksichtigen, leicht in den Arbeitsalltag integrierbar sein und Bezug zur täglichen Praxis haben.“
Das Bauunternehmen PORR etwa setzt auf die Initiative Women@PORR, die Mentorings, Möglichkeiten zum Netz werken und Workshops von Frauen für Frauen bietet. Außerdem werde systematisch daran gearbeitet, sagt PORR-CEO Karl-Heinz Strauss, indem eine jährliche Equal Pay-Analyse durchgeführt und das Karenzmanagement überarbeitet wird „Wir schulen – von den Lehrlingen bis zur Bauleitung – unsere Mitarbeitenden zum Thema Vielfalt: Was es bedeutet, was von ihnen erwartet wird. Das geschieht sowohl persönlich als auch digital: Gruppenweit haben wir heuer erstmals ein E-Learning zu Diversity & Inclusion in allen Landessprachen unserer sieben Heimmärkte zur Verfügung gestellt.“
Mädchen für Technik begeistern
Maria Koller, Chief Human Ressources Officer (CHRO) bei Palfinger, berichtet, dass in vielen Köpfen immer noch die Gleichung „Maschinenbau- und Technologieunternehmen = männliches Team“ gilt, weshalb es ein Umdenken brauche. Bei den Techniklehrlingen hat das oberösterreichische Unternehmen, global tätiger Produzent von Kran- und Hebelösungen, bereits eine Frauenquote von 25 Prozent. „Das ist zwar großartig“, sagt Maria Koller, „aber da geht noch mehr. Frauen trauen sich oft weniger zu, als sie tatsächlich können, weshalb man sie fast zu ihrem Glück ,zwingen‘ muss. Entsprechend haben wir unsere Recruiting- und Promotion-Prozesse danach ausgerichtet, unser Team vielfältiger zu machen.“ Palfinger unterstützt deshalb gezielt Bildungs- und Technikinitiativen für Mädchen wie MINTALITY und die MINT Girls Challenge, um Mädchen möglichst früh für technische Berufe zu begeistern.
Christine Epler, Diversity Beauftragte DB
“Die DB ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft − bei uns arbeiten Menschen mit über 100 Nationalitäten und vier Generationen.”
Auch bei der Deutschen Bahn (DB), mit rund 230.000 Mitarbeitenden eines der größten deutschen Unternehmen, spielt Diversity eine relevante Rolle, denn hier arbeiten Menschen aus über 100 Nationen. Bei der DB ist man davon überzeugt, dass Vielfalt die Innovationsfähigkeit des Unternehmens fördert, Personalgewinnung und Mitarbeitendenbindung stärkt und mehr Nähe zu den Kund:innen bringt. „Wir setzen uns aktiv für eine Vielfalt der Geschlechter, Generationen, ethnischen und sozialen Herkünfte, Religionen, sexuellen Orientierungen, geschlechtlichen Identitäten, physischen wie psychischen Fähigkeiten, Lern- und Arbeitsstile, Werte und Erfahrungen ein“, sagt Diversity-Beauftragte Christine Epler.
Allein in Deutschland arbeiten mehr als 56.000 Frauen für die Deutsche Bahn (DB). Damit sind etwa 24 Prozent aller Beschäftigten der DB weiblich.
Eine diverse Organisation, ist sie überzeugt, bewältigt Krisen effektiver und reagiert schneller auf Veränderungen, wobei inmitten der komplexen Herausforderungen der strukturellen Sanierung der DB-Vielfalt die kreative Energie für innovative Lösungen liefere. „Sie stärkt die Resilienz unserer Teams und unterstützt unser Ziel, die DB widerstandsfähig und kundenorientiert zu gestalten.“
Das Potenzial wertschätzen
So viele Chancen Diversity-Bemühungen in Blue Collar Unternehmen auch bieten, so vielfältig sind die Herausforderungen. Eine ist oft der kulturelle Wandel innerhalb der Organisation, sagt Mareike Brockmann, Head of Diversity Management bei der VW Gruppe: „Kulturelle Veränderungen brauchen strukturelle Maßnahmen, das Engagement vielfältiger Teams und Führungskräfte, die das Potential ihrer Mitarbeitenden wertschätzen und fördern. Das ist für uns der Ansatz, wie wir die volle Leistungsfähigkeit und Kreativität von Volkswagen Group nutzen können.“ Diversity ist bei VW in der Unternehmensstrategie als Fokusthema für soziale Nachhaltigkeit fest integriert, berichtet Beate Brandes, ebenfalls Head of Diversity Management. Neben verschiedenen Initiativen verweist sie auf das Schulungsformat „Diversity Wins“: „94 Prozent der Führungskräfte haben an dem Programm teilgenommen. Es beinhaltete themenspezifische Trainings für Führungskräfte – vom Meister bis zum Top-Manager.“
Peter Rieder, Diversity Think Tank
“Die Menschen müssen verstehen, worum es bei Diversity geht und was sie davon haben.”
Bei Bosch wiederum liegt ein Fokus darauf, Diversity auch in Geschäftsprozessen zu integrieren und eine positive Haltung gegenüber Vielfalt, Chancengleichheit und Teilhabe im Bewusstsein aller Mitarbeitenden und Führungskräfte zu verankern, heißt es aus dem deutschen Technologiekonzern: Darüber hinaus hat Bosch in seinem ,Code of Conduct‘ festgeschrieben, dass das Unternehmen keine Form von Diskriminierung, Mobbing oder Belästigung gegenüber Mitarbeitenden duldet.“
Der oberösterreichische Kranbauexperte Palfinger setzt darauf, junge Frauen schon früh für Technik zu begeistern.
Möglichst viele Zielgruppen erreichen
Susanne Hamscha von factor-D sagt, dass demographischen Herausforderungen leichter begegnet werden kann, wenn man als Arbeitgeber attraktiv für möglichst viele Zielgruppen sei. Aber auch Entwicklung und Produktion würden enorm profitieren, wenn vielfältige Perspektiven und Lebenserfahrungen in der Belegschaft vorhanden seien: „Die größte Herausforderung ist die Veränderung an sich: gewohnte Strukturen und Prozesse zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen, kann schwerfallen. Zudem kann Vielfalt zu Konflikten führen, wenn sie nicht gut gemanagt wird.“
Susanne Hamscha, factor-D
“Diversity ist nicht nur ein ,Gerechtigkeitsthema‘, sondern bringt zahlreiche ökonomische Vorteile mit sich.”
Peter Rieder von Diversity Think Tank empfiehlt, das Thema Diversität auf „passender Flughöhe“ zu kommunizieren. Die Menschen müssen verstehen, worum es geht und was sie davon haben. „Oft wird dies nicht beachtet und Diversity-Aktivitäten werden als etwas abgetan, ‚was die im Elfenbeinturm sich überlegt haben‘. Wir haben sehr unterschiedliche Niveaus formaler Bildung, aber auch oft Beschäftigte aus vielen verschiedenen Kulturen, wo es in einigen nicht üblich ist, Menschen zu erziehen, Dinge zu hinterfragen.“ Doch genau darin, ist der Experte überzeugt, liege die Chance: Wenn es gelingt, lebenswerte Arbeitsplätze, an denen man sich respektvoll begegnet, zu schaffen, „würden vor allem auch Blue-Collar-Beschäftigte profitieren.
Die Wiener Barlegende Marianne Kohn ist eine der neuen Markenbotschafterinnen von Palmers.
Sie ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten des Wiener Nachtlebens – Marianne Kohn. Doch die Rolle, die die umtriebige Loos-Bar-Legende seit November innehat, dürfte auch für sie neu sein: Denn die 78-Jährige ist eine der neuen Markenbotschafterinnen der #endofsorry Kampagne von Palmers und posiert auf den neuen Plakaten des österreichischen Wäscheherstellers in sexy Dessous.
„Gerade für junge Menschen sind Identifikationsfiguren oft wichtig und prägend. Je mehr Vielfalt wir präsentieren, desto mehr Mädchen und Frauen erreichen wir mit unserer Botschaft: Es gibt nichts zu entschuldigen, du bist in deiner eigenen Individualität großartig“, sagt Rosmarie Rotter, Prokuristin und Director of Sales bei Palmers.
Authentizität gefragt
Palmers ist nicht die einzige Marke, die sich dem Trend zu mehr Vielfalt in der Werbung verschrieben hat – immer mehr österreichische und deutsche Firmen setzen auf Diversität bei Printkampagnen, Werbeplakaten und Social-Media Posts. Die Kosmetikmarke Dove etwa ist seit längerem für ihre diversen Models bekannt. Alle Bilder werden außer dem mit dem Wasserzeichen „Keine digitale Veränderung“ markiert, um zu unterstreichen, dass sie echt und nicht retuschiert sind, sagt Alissa Martens, Dove Masterbrand Lead EU & ANZ: „Mit dem enormen Anstieg von KI-generierten Inhalten im Netz haben wir unser Real-Beauty-Versprechen 2024 um einen Schwerpunkt erweitert und verpflichten uns, in unserer Kommunikation niemals KI einzusetzen – ein Versprechen, das wir auch in unserer aktuellen Kampagne ,The Code‘ thematisieren.“
Die Wiener Linien wiederum werben aktuell mit dem Slogan „Wir sind alle gleich! Vielfalt kommt gut an.“ Doch warum setzen Unternehmen auf Diversity? „Ganz einfach“, sagt Anna Maria Reich-Kellnhofer, Leiterin Unternehmenskommunikation
Zahlreiche Mitarbeitende der Wiener Linien treten als Testimonials in der aktuellen Kampagne auf.
Wiener Linien, „auch unsere Kolleginnen und Kollegen sowie unsere Kundinnen und Kunden sind divers und vielfältig – und jede und jeder ist auf eigene Weise wichtig, damit die Öffis funktionieren.“ Doch die beste Werbung ist nicht wirksam, wenn einer der wichtigsten Faktoren fehlt: Authentizität. Deshalb sind in den Sujets, berichtet Reich-Kellnhofer, auch „echte“ Kolleginnen und Kollegen als Testimonials zu sehen. „Wir sind überzeugt davon, dass es in Zeiten wie diesen immer wichtiger wird, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen und mit positiven Botschaften einen Perspektivenwechsel anzustoßen.“
Inklusion im Fokus
Raiffeisen setzt in seiner Kommunikation verstärkt auf das Thema Inklusion und Barrierefreiheit.
Auf das Thema Inklusion setzt die Raiffeisenbank International (RBI) mit dem Claim unter dem Claim „WIR macht´s möglich“, in dem unter anderem Plakatsujets sowie Werbespots mit einer gehörlosen Frau zu sehen sind. „Wir wollen dazu beitragen, die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen besser zu verstehen und Bewusstsein dafür schaffen, dass wir gemeinsam Barrieren abbauen können und Berührungsängste reduzieren“, betont Petra Walter, Geschäftsführerin Zentrale Raiffeisenwerbung. Auch Protagonistin Nina ist tatsächlich gehörlos, ihre Freunde haben gemeinsam begonnen, die Gebärdensprache zu
lernen. „Auf unserer Website befinden sich“, berichtet Petra Walter, „barrierefreie Videos für gehörlose Menschen, die wir mit dem ÖGLB, dem Österreichischen Gehörlosenbund beziehungsweise mit deren Service-Center ÖGS entwickelt haben. Der ÖGLB hat uns während der Konzeptionsphase und in der Produktion der Kampagne professionell begleitet.“
Eine Werbeagentur, die zahlreiche Diversity-Kampagnen umgesetzt hat, ist Glow Communication aus Berlin. Unter anderem wurde eine Kampagne für die Berliner Polizei gestaltet, in der die ethnische Vielfalt der Berliner Polizist:innen gezeigt wird, wobei es regionale Unterschiede gibt, wie CEO Johannes Krempl berichtet: „In Berlin wirbt die Polizei mit vielen Menschen mit Migrationshintergrund, in Thüringen werben wir meistens mit Menschen mit deutschen Wurzeln. Es gibt dort kaum Menschen mit Migrationshintergrund, und deshalb wäre es nicht authentisch.“ Der Trend, so der Kreative, gehe allerdings dahin, das Thema Diversität nicht mehr zu betonen. „Weder wollen wir Diversität verschweigen, noch sind wir als Unternehmen Ritter der ,Wokeness‘. Wir raten unseren Kunden, einen natürlichen Mix herzustellen, und meistens folgen sie uns.“
Diversität als Familiensache
Die Hutmanufaktur Mühlbauer setzt in Werbesujets auf Models mit vielfältigem ethnischen Hintergrund.
Dabei sind es nicht immer nur große Firmen beziehungsweise öffentliche Einrichtungen, die auf Diversität beim Marketing setzen – auch traditionsreiche Familienunternehmen haben erkannt, dass diverse Sujets gut ankommen. Die seit 1903 bestehende Wiener Hutmanufaktur Mühlbauer setzt schon seit Jahren auf Models, die nicht der klassischen Werbenorm entsprechen. Klaus Mühlbauer, der das Unternehmen in der vierten Generation führt, sagt, dass Mühlbauer Schönheitsideale, wie sie heute vor allem durch Algorithmen der Sozialmedien normiert werden, ablehnt. Eine erfolgreiche Diversity-Werbung muss, ist der Unternehmer überzeugt, pointiert, frisch und mutig sein und „das Produkt und die Marke ungeachtet irgendwelcher Trends oder Schönheitsideale gut inszenieren. Es ist gut, wenn man das Diverse einer Kampagne lesen kann, aber das darf kein Selbstzweck sein – denn das würde weder dem Produkt und der Marke noch dem Thema Diversität einen Dienst erweisen.“
Almdudler macht regelmäßig auf gesellschaftlich relevante Themen aufmerksam.
Einer der österreichischen Vorreiter in Sachen Diversität ist Almdudler, wirbt der Wiener Getränkehersteller doch seit seiner Gründung 1957 mit nicht alltäglichen Botschaften und kooperierte beziehungsweise kooperiert unter anderem mit dem Life Ball, der Pride Parade oder der Aids-Hilfe. Für „Sprudelfabrikant“ Thomas Klein und seinen CEO Gerhard Schilling liegen Toleranz und Offenheit in der Unternehmens-DNA: „Diverse Werbung zeichnet sich durch die bewusste Einbindung und Darstellung unterschiedlicher Menschen und Perspektiven aus. Sie geht über traditionelle, oft eindimensionale Zielgruppenansprachen hinaus und repräsentiert die Vielfalt der Gesellschaft in ihren verschiedenen Facetten.“ Auch zukünftig möchte Almdudler auf Diversität setzen, etwa in Kampagnen und Kooperationen. Das Ziel: zu zeigen, dass „echte“ Gemeinschaft durch Offenheit und gegenseitige Wertschätzung entsteht. „Ob durch die Repräsentation unterschiedlichster Menschen in Werbekampagnen, durch die Unterstützung von Projekten zur sozialen Inklusion oder durch die Zusammenarbeit mit diversen Künstler:innen und Kreativen.
Die Mutter aller Diversity Werbungen
Bereits in den 1980er- und 90er-Jahren machte die italienische Modekette Benetton von sich reden, als Fotograf Oliviero Toscani mit dem Claim „United Colors of Benetton“ und provokanten Sujets berühmt wurde: Von einer weißen Frau, die ein schwarzes Baby stillt über die einen Priester küssende Nonne bis zu einem sterbenden Aids-Patienten. Was einst als Skandal galt und sogar teils verboten wurde, gilt heute als eines der bekannten Beispiele in Sachen diverser Werbekampagnen.
Inklusion bedeutet, die Umwelt so zu gestalten, dass jeder teilhaben kann und niemand ausgeschlossen wird. Im Wien Taekwondo Centre wird dieser Grundgedanke seit 2016 bereits umgesetzt. Hier trainieren alle Mitglieder gemeinsam – egal, welchen Gürtel oder eventuelle Beeinträchtigungen sie haben. Die unterschiedlichen Gruppen werden nach Alter und nicht nach Leistung eingeteilt. Trotzdem sind die Übungen an das Level der Teilhabenden angepasst. So wird niemand überfordert, aber auch keiner ausgegrenzt. „Inklusion im Training ist eine Bereicherung, da sich Menschen aus unterschiedlichen Lebenswegen kennenlernen und man voneinander viel lernen kann“, sagt die Wettkämpferin Nikol Milosevic im Interview mit orf.at. Ähnlich sieht man das in der bayerischen Kampfsportschule Budokan: Hier wird inklusives Karatetraining angeboten, an dem auch Rollstuhlfahrer:innen teilnehmen können.
Mehr Infos: wientaekwondo.com, kampfkunstschule-budokan.de
2. Freiwillig aktiv werden
Die Lebenshilfe-Verbände suchen immer wieder Menschen, die sich in ihrer Freizeit sinnvoll beschäftigen wollen – sei es stundenweise oder im Rahmen eines Freiwilligen-Jahres. Dabei erhält man die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen, Freunde zu gewinnen und eine wichtige Rolle im Leben von Menschen mit Beeinträchtigungen einzunehmen. Zu den Aufgaben der freiwilligen Helfer:innen zählen so einfache Dinge wie Spazierengehen, Basteln, Backen oder die Begleitung bei Kinobesuchen. Im Rahmen des Projekts „freiwillig aktiv“ sind Einschulung, Fortbildung, Haft- und Unfallversicherung, Fahrtkostenerstattung und ein Ehrenamtspass inkludiert.
Mehr Infos findet man auf lebenshilfe.at und freiwilligeinheld.de
3. Fair Theater spielen
Unter Anleitung von professionellen Coaches das eigene Schauspieltalent entdecken und dabei offener für andere Bevölkerungsgruppen werden? Klingt nach einer guten Freizeitbeschäftigung. Die Freie Bühne München bietet verschiedene Workshops an, die alle inklusiv sind. Das heißt: Jeder, egal welchen Alters, mit welcher Nationalität, mit welchem Schulabschluss, mit welcher Theatererfahrung oder ob mit oder ohne Behinderung, kann teilnehmen. Dabei werden alle Mitwirkenden so individuell wie möglich in ihren Stärken gefördert und gefordert. In Wien setzt das Theater Delphin deutliche Impulse für vorurteilsfreie Begegnungen. In den All-Ability-Kursen und Theaterproduktionen wird mit voller Kraft gegen Vorurteile gekämpft, indem Besonderheiten von Personen hervorgehoben werden. Dabei entstehen „ganz nebenbei“ tolle Stücke, die auch das Publikum begeistern.
4. Gebärdensprache lernen
Schon mal mit einem Gehörlosen geplaudert? Wenn man die Gebärdensprache beherrscht, geht das ganz einfach. Kurse werden heute vielerorts angeboten – besonders empfehlenswert sind solche, bei denen nicht nur Vokabel, sondern auch die Grammatik unterrichtet wird. Übrigens: Wenn man die Handzeichen einmal beherrscht, stellt man schnell fest, dass sie auch in der Kommunikation mit Hörenden praktisch sein können – vor allem, wenn die eigenen Freunde sie auch beherrschen, zum Beispiel, wenn es im Club so laut ist, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht.
5. Inklusion am Dancefloor erleben
„AkzepTANZEN Sie mit uns!“ lautet der Slogan des Wiener Kultur- und Bildungsvereins „Ich bin o.k.“. Hier treffen sich Menschen mit und ohne Behinderung, um miteinander die Freude an anderen Bewegungen zu genießen. Das Tanzstudio bietet 20 Kurse verschiedener Tanzrichtungen an – darunter Modern Dance, Hip Hop, Musical und einen Kurs, in dem gemeinsam mit Rollschuhfahrer:innen getanzt wird. Man kann dort Techniken erlernen, die man über das Semester weiter ausbauen kann, Choreografien erproben, Improvisation üben und an Aktivitäten teilnehmen, die das Gemeinschaftsgefühl stärken. Auch bei Inn Tango in Innsbruck wird Inklusion vorgelebt: Jeden Montag können dort Menschen mit und ohne Funktionsvariationen gemeinsam argentinischen Tango erlernen. Dabei sollen Hemmungen und Ängste gegenüber dem Ungewohnten ab gebaut werden. Ziel des Projekts ist eine unterstützende Gemeinschaft, in der soziale Fähigkeiten auf einer neuen Ebene entwickelt werden. Und in München gibt es im Kulturzentrum Luise und im Gasteig HP8 den sogenannten „Community Dance“. Dabei wird auf der Grundlage von DanceAbility zu einer gemeinsamen Bewegungssprache gefunden, die allen Teilnehmer:innen ermöglicht, ihre ganz persönliche Ausdrucksform zu finden.
6. Über den Generationsschatten springen
Ob privat oder beruflich: Menschen unterschiedlichen Alters können viel voneinander profitieren. In einer Gesellschaft, in der die Großfamilie keine zentrale Rolle mehr spielt, ist der Umgang mit Personen aus anderen Generationen allerdings nicht mehr selbstverständlich – und muss oft erst wieder erlernt werden. Üben kann man ihn beispielsweise, indem man in der Vorweihnachtszeit mit den eigenen Kindern und der achtzigjährigen Nachbarin einen Adventkranz bindet. Oder indem man anbietet, lernschwachen Schüler:innen mit Migrationshintergrund kostenlos Nachhilfe zu geben. Oder indem man ins nächste Seniorenheim geht und mit den alten Bewohner:innen eine Runde Karten spielt. Alles zu zeitaufwendig? Wie wäre es damit: Einfach im Park für ein paar Minuten neben eine alte Dame auf die Bank setzen, mit ihr über das schöne Wetter, das bunte Herbstlaub oder die Enten im Teich plaudern – und sich über ein nettes, entspanntes Gespräch freuen.
7. Gemeinsam feiern
Ein schöner Rahmen, um Vorurteile abzubauen und offen auf andere Menschen zuzugehen, sind Veranstaltungen, bei denen klar wird, das Diversity und Inklusion keineswegs spaßfeindlich sind. Dazu gehören etwa der Tuntenball in Graz am 22. Februar 2025, der diesmal unter dem Motto „born naked“ statt finden wird, oder die samstäglichen OBA-Partys mit wechselnden DJs im Münchener Kult9, die Begegnungen und Freundschaften zwischen Menschen mit und ohne Behinderung fördern sollen. Und natürlich schlägt auch der Flüchtlingsball im Wiener Rathaus in diese Kerbe. Er wird seit über 30 Jahren vom Integrationshaus Wien veranstaltet. Der Flüchtlingsball findet diesmal am 5. April 2025 statt und will, wie Katharina Stemberger, langjährige Vorstandsvorsitzende des Integrationshauses, erklärt, das Miteinander der Kulturen verbessern: „Der Flüchtlingsball ist ein Fest der Menschlichkeit, auf dem wir zeigen können, dass das Zusammenleben auch wirklich funktionieren kann. Wenn man es will!“
Text: Lynn Neubert, Managerin Human Rights, Labour & Gender Equality, UN Global Compact Network Austria
Viele Österreichische Unternehmen stehen vor der Herausforderung, nicht alle ihre verfügbaren Arbeitsplätze besetzen zu können. Laut dem Arbeitskräfteradar 2024 der WKO gaben 82.4 Prozent der befragten Unternehmen an, dass es ihnen an Fachkräften, also Personen mit bestimmten Qualifikationen, fehlt. Besonders stark trifft dies Unternehmen mit über 250 Mitarbeiter:innen und die Branchen Tourismus und Freizeitwirtschaft, Gewerbe und Handwerk sowie Transport und Verkehr. Dieser Trend hat sich laut Statistik Austria in den vergangenen Jahren verschärft: lag die Zahl der offenen Stellen im Jahr 2014 noch bei 65.000, stieg sie bis 2023 auf 181.000. Im EU-Vergleich weist Österreich mit 4.5 Prozent die höchste Quote unbesetzter Stellen auf.
Bestehende Mitarbeiter:innen leiden durch die Leistung von Überstunden unter einer gesteigerten Arbeitsintensität, die sich negativ auf ihre psychische und physische Gesundheit auswirken kann. Und auch die wirtschaftliche Leistung der Unternehmen wird durch den Fachkräftemangel beeinträchtigt: durch die Einschränkung des Leistungsangebots und die Stornierung von Aufträgen entstehen Umsatzeinbußen, außerdem kann die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen aufgrund einer größeren Fehleranfälligkeit leiden. Auch Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz können aufgrund unzureichender Ressourcen nicht umgesetzt werden. Kurzum: der Mangel an Fachkräften bedroht nicht nur die Existenz des Betriebs, sondern erschwert auch wesentliche Schritte zu einer nachhaltigen Zukunft.
Woher kommt der Fachkräftemangel in Österreich?
Laut dem Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich aus dem Jahr 2022 strebten 26 Prozent der Beschäftigten in Österreich an, ihre Firma oder ihren Beruf aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen wechseln zu wollen – häufig resultieren diese aus den Belastungen, die mit dem Fachkräftemangel einhergehen. Auch der demografische Wandel spielt in Österreich eine Rolle: die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, erreichen das Rentenalter und verlassen den Arbeitsmarkt. Auf der anderen Seite sinkt der Anteil der jüngeren Bevölkerung, sodass nicht genügend Menschen die freiwerdenden Stellen besetzen können.
Die gute Nachricht: dem Mangel an Fachkräften steht in Österreich ein großer Pool an Arbeitskräften gegenüber – im Jahr 2022 gab es rund 330.000 Arbeitsuchende. Es gibt somit viele Personen, die als Arbeitskraft zur Verfügung stehen, auch wenn ihre Qualifikationen den Anforderungen auf dem ersten Blick nicht entsprechen. Einen großen Teil davon bilden Menschen mit Migrationsgeschichte.
Eine diverse Belegschaft bringt unterschiedliche Sichtweisen und Ideen mit, wodurch kreative und innovative Lösungen entstehen.
Migration als Chance für den Arbeitsmarkt
Österreich ist ein diverses Land: laut dem Statistischen Jahrbuch Migration & Integration hatten Anfang 2024 1.8 Millionen der hier lebenden Menschen eine ausländische Staatsbürgerschaft, was fast 20 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Jedoch weisen ausländische Staatsangehörige eine deutlich geringere Erwerbsbeteiligung als Personen mit österreichischem Pass auf. Die Hauptgründe dafür sind sprachliche Barrieren und die mangelnde Anerkennung von Qualifikationen. Dabei sollte ihr Potenzial genutzt werden – denn neben der Bekämpfung des Fachkräftemangels hat kulturelle Diversität in Unternehmen viele weitere Vorteile.
Warum Unternehmen auf Diversität setzen sollten
Unternehmen, die kulturelle Vielfalt schützen und fördern, ziehen neben migrantischen Arbeitskräften auch Bewerber:innen unterschiedlicher Generationen an, da sie als fortschrittlich und verantwortungsbewusst gelten und Werte vermitteln, die vor allem von jüngeren Personen geschätzt werden. Darüber hinaus fühlen sich Mitarbeitende in einem diversen Unternehmensumfeld mehr wertgeschätzt und akzeptiert, was zu einer Steigerung ihrer Motivation und Zufriedenheit sowie ihrer Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber beiträgt.
Eine diverse Belegschaft bringt außerdem unterschiedliche Sichtweisen und Ideen mit, wodurch kreative und innovative Lösungen entstehen, die besser durchdacht sind und in homogenen Teams häufig unentdeckt bleiben. Auch Softskills wie interkulturelle Kommunikation und Sensibilität werden für den Zugang zu globalen Märkten und der Entwicklung und Vermarktung von Produkten immer relevanter. Sprachliche Vielfalt erweitert nicht nur das Netzwerk an Geschäftspartner:innen, sondern stärkt auch die Kund:innenbindung und -zufriedenheit.
Viele Unternehmen haben die Vorteile kultureller Diversität bereits erkannt und entsprechende Maßnahmen umgesetzt, um diese wirkungsvoll voranzutreiben.
Elementar ist eine inklusive Unternehmenskultur, die bereits im Recruitment beginnt: Bewerbungsgespräche können auf die Bedürfnisse internationaler Arbeitskräfte zugeschnitten werden, indem sie beispielsweise digital stattfinden und eine multikulturelle Belegschaft repräsentieren. Insbesondere bei der Suche nach Fachkräften empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Behörden, die darauf spezialisiert sind, zugewanderte Personen in den Arbeitsmarkt zu vermitteln.
Die Förderung von kultureller Diversität in Unternehmen trägt zur Fachkräftesicherung, Innovation und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit bei.
Für einen einfacheren Einstieg können Unternehmen dabei unterstützen, ausländische Qualifikationen anzuerkennen und Sprachkurse zu organisieren. Auch eine verständnisvolle Zusammenarbeit zwischen einheimischen und internationalen Mitarbeiter:innen ist elementar für gelungene kulturelle Diversität, hierbei können interkulturelle Schulungen und Mentor:innenprogramme hilfreich sein. Anti-Diskriminierungsrichtlinien fördern ein faires, respektvolles Arbeitsumfeld und Employee Resource Groups können das Zugehörigkeitsgefühl und die Zufriedenheit internationaler Talente verstärken. Die Förderung von kultureller Diversität in Unternehmen trägt somit zur Fachkräftesicherung, Innovation und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit bei. Gleichzeitig fördert sie Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und den Abbau von Diskriminierung.
Globale Standards für lokale Wirkung: Die Bedeutung des UN Global Compact
Der UN Global Compact (UNGC), die weltweit größte Initiative für nachhaltiges Wirtschaften, betont die Achtung von Menschenrechten und Arbeitsnormen und fordert Unternehmen zu fairen Arbeitsbedingungen und der Förderung von Diversität am Arbeitsplatz auf, um Chancengleichheit und ein inklusives Arbeitsumfeld zu gewährleisten. Dazu bietet er Unternehmen eine Plattform, um Best Practices auszutauschen und konkrete Maßnahmen für Diversität und soziale Inklusion zu ergreifen und trägt dazu bei, dass Unternehmen sozial verantwortungsvoll und nachhaltig wirtschaften.
Das österreichische Netzwerk des UN Global Compact bietet in diesem Rahmen seinen teilnehmenden Unternehmen eine Peer Learning Group „Diversity, Equity & Inclusion“ an. Die erste Session am 11. Februar 2025 dreht sich um das Thema „Ethnische und kulturelle Vielfalt“ und ist der Auftakt einer spannenden Reihe, die den Unternehmen praxisnah wichtige Diversitätsthemen wie mentale Gesundheit und Altersdiversität nahebringt. Weitere Informationen erhalten Sie hier.